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Freiheit zum Freiheitsentzug

Von Martyna Czarnowska

Analysen

Kommt nicht in Frage. Das war die erste Reaktion aus der EU-Kommission, als Frankreich und Italien Anpassungen beim Schengen-Abkommen forderten. Dieses ermöglicht Reisen ohne Grenzkontrollen in weiten Teilen der Union. Und wie andere - oft unter Mühen ausgehandelte - Verträge könne es nicht einfach so geändert werden, wenn es einem Land gerade passt.


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Die Antwort Brüssels auf die Wünsche aus Paris und Rom wäre klar und richtig gewesen. Wenn es dabei geblieben wäre. Doch Frankreich und Italien sind nun einmal große EU-Staaten, und der Präsident der Europäischen Kommission ist kein Mann, der als unnachgiebig gilt. So demonstriert José Manuel Barroso auch jetzt seine Flexibilität: Neuregelungen beim Schengen-Vertrag wären möglich, meinte er. Die Länder könnten daher mehr Optionen erhalten, Grenzkontrollen wieder einzuführen, um etwa Migranten aus Afrika an der Einreise zu hindern.

Die Staaten könnten den Vertrag dann großzügiger auslegen - eine Freiheit, die sie dazu nutzen wollen, eine der grundlegenden Freiheiten in der EU zu beschränken. Denn warum - und vor allem: Wie - sollten die Grenzkontrollen nur für jene Menschen gelten, die der illegalen Einwanderung bezichtigt werden und nicht für alle EU-Bürger? Gefährdet wäre zumindest zeitweise die Reisefreiheit aller. Und die ist immerhin eines der - mittlerweile - wenigen Dinge, die die meisten Europäer als eine Errungenschaft und damit eine positive Seite der EU ansehen. Soll das wieder abgeschafft, sollen stattdessen wieder Grenzbalken geschlossen werden?

Dass Staaten wie Italien oder Frankreich sich überfordert fühlen, wenn sie ein paar zehntausend Flüchtlinge aufnehmen oder, falls rechtlich gedeckt, zurückschicken sollen, zeigt einmal mehr, wie nötig es wäre, eine europäische Migrationspolitik zu entwickeln. Daran sind die Mitgliedsländer bisher selbst gescheitert.

Um davon abzulenken, wird an anderen Verträgen gerüttelt, wie etwa am Schengen-Abkommen. Dass die EU-Kommission nun Änderungen nicht ausschließt, zeigt wiederum die Schwäche der Brüsseler Behörde. Deren Kompetenzen sind zwar eingeschränkt. Doch eine der Aufgaben ist klar festgelegt: Die Kommission ist die Hüterin der Verträge. Wenigstens das sollte sie schaffen.