Über die Art, wie Andreas Mölzer das Massaker von Oslo kommentiert, relativiert und schließlich - beinahe schon triumphierend - zur Analyse "des Norwegers" erhebt.
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Die Karten stehen gut für die neue Rechte in Europa. Die Parteien des Rechtspopulismus verbuchen Anteile von 20 und mehr Prozent der Wählerstimmen. Das Komfortable dabei: Obwohl in keinem Land (Ausnahmen: Italien und Schweiz) in der Regierung vertreten, geben sie den Takt in der Zuwanderungspolitik vor. Und die Zeit arbeitet für sie: Nur langsam und zögerlich stimmen die Parteien links und rechts der Mitte sich darauf ein, dass Migration und Integration ein für Wahlerfolge wenig tauglicher Problemzusammenhang ist. Die Nase vorn haben immer jene, die für komplexe Fragen die simpelsten Antworten bieten.
Österreich war in puncto Liberalität ohnehin nie ein Vorbild. Doch selbst in für ihre Offenheit nachgerade vorbildhaft stehenden Ländern wie den Niederlanden, Dänemark oder Finnland haben die Stimmungsmacher sich mittlerweile knapp an die Spitze vorgearbeitet. Angesichts der unsäglichen Not wird der Migrationsdruck von Süd nach Nord zunehmen, im saturierten Norden für Verunsicherung sorgen, vor allem aber Lösungen brauchen.
Dummdreistes Errichten von Mauern (auf Lampedusa? Lesbos? Gibraltar?) wird das Problem nicht lösen. Und schon gar nicht die Unterscheidung in gute und böse Ausländer. Auch in Österreichs Parlament sitzen unbescholtene und vorbestrafte Abgeordnete - Letztere übrigens vorzugsweise in den Reihen von FPÖ und BZÖ.
Rechtspopulismus, in dieser Frage ist die Forschung sich einig, kann nicht einfach als Verwirrung abgetan werden. Er bewegt sich im demokratischen Rahmen, greift - überspitzt zwar und oft extrem polemisch, doch auch das ist legitim - Probleme auf und beackert den Wählermarkt wie andere Parteien auch. Auf seine Weise ist der Rechtspopulismus ein Korrektiv, Ausdruck eines Unbehagens in breiten Schichten der Wählerschaft, und die Parteien der Mitte tun gut daran, Antworten darauf zu suchen.
Eine andere Frage ist allerdings der im Sog der Integrationsdebatten sichtlich Oberwasser spürende neue Rechtsextremismus. Geert Wilders (Niederlande), Pia Kjaersgaard (Dänemark) oder Timo Soini (Finnland) sind Profiteure des Integrationsstreits, aber keine Rechtsextremisten. Anders dagegen Jean Marie Le Pen (Frankreich), Gábor Vona (Ungarn) - oder Andreas Mölzer mit seinen unermüdlichen, bisher mäßig erfolgreichen Versuchen, die zersplitterte europäische Szenerie rabiat-rechter Strömungen auf Linie zu bringen.
Mölzers - an dieser Stelle nicht näher zu würdigende - politisch-strategische Fähigkeiten sind die eine Seite. Die andere Seite ist die Art, wie er das Massaker von Oslo kommentiert, relativiert und schließlich - beinahe schon triumphierend - zur Analyse "des Norwegers" erhebt. Kein Wort über die Opfer, kein Wort über den Schuldzusammenhang, kein Wort über die ein ganzes Land überziehende Trauer. Einzig er selbst und mit ihm "viele Millionen", befindet Mölzer, befänden sich nun in "Geiselhaft" des Täters. Mölzer hat sich freigesprochen. Dabei sollte man es belassen.
Ferdinand Karlhofer ist Leiter des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck.
Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.