Statt erhofftem Schuldspruch Konkurrenz für Frankreichs Präsidenten. | Ex-Premier bringt sich bereits als Alternative in Stellung. | Paris. Die Kampfarena ist wieder eröffnet für die Fortsetzung eines packenden Zweimann-Duells. Gestern fiel mit dem Urteilsspruch in Frankreichs Clearstream-Prozess der Schlussvorhang - zugleich beginnt ein neuer Akt in der Partie Nicolas Sarkozy gegen Dominique de Villepin.
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Die Richter sprachen de Villepin von dem Verdacht frei, er habe im Jahr 2004 eine Verleumdungskampagne gegen den heutigen Staatschef gebilligt. Der Forderung der Pariser Staatsanwaltschaft, ihn wegen Komplizenschaft zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten und einer Geldbuße von 45.000 Euro zu verurteilen, kamen sie nicht nach.
Noch wichtiger für die politische Zukunft des 56-Jährigen: Sie entkräfteten den Vorwurf, er habe seinen Erzrivalen Sarkozy mit schmutzigen Mitteln politisch aus dem Weg räumen wollen. De Villepin handelte "ohne böse Absicht", heißt es im Richterspruch.
Triumphierend baute sich der silberhaarige Ex-Premierminister im Anschluss vor dem Justizgebäude auf und fand tragende Worte: "Ich begrüße den Mut des Tribunals, das es verstand, Recht und Gerechtigkeit über die Politik siegen zu lassen." Wie auch die Opposition hatte er kritisiert, dass der Präsident der Republik als Nebenkläger auftrat. Dieser wollte einen politischen Prozess gegen ihn führen, klagte de Villepin.
Sarkozy lehnte einen Kommentar zu dem Urteil ab. Ein erfreuliches Geschenk zu seinem gestrigen 55. Geburtstag war es wohl nicht, stärkt es doch seinen schärfsten innerparteilichen Gegner zu einem Zeitpunkt, an dem die Franzosen ihn selbst und seine Politik mehr denn je in Frage stellen. Seine Zustimmungswerte stagnieren in einem Rekordtief.
Ein Jahr Haft fürEx-EADS-Vizechef
In der "Clearstream-Affäre" hatte der Ex-Vizechef von EADS, Jean-Louis Gergorin, einige Flugzeugbau-Manager auf manipulierte Kontolisten des Luxemburger Finanzinstituts Clearstream setzen lassen. Das sollte sie in den Verdacht bringen, Schmiergeld aus einem Waffengeschäft mit Taiwan 1991 empfangen zu haben. Wohl um die Aufmerksamkeit der Medien zu wecken, wurden später die Namen von Politikern, darunter Sarkozy, und Prominenter hinzugefügt. Drahtzieher Jean-Louis Gergorin - der Ex-Vizechef von EADS - sowie zwei weitere Angeklagte wurden schuldig gesprochen und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Erst die Beteiligung Sarkozys und de Villepins machte die Affäre zum viel beachteten "Jahrhundertprozess". Die Rivalität der konservativen Politiker ist legendär. Gemeinsam ist ihnen eine unverhohlene gegenseitige Abneigung, grenzenloses Selbstbewusstsein und großer Ehrgeiz. So lieferten sie sich einen erbitterten Machtkampf um die Nachfolge von Ex-Präsident Jacques Chirac, den Sarkozy für sich entschied; in diese Zeit fällt die Clearstream-Affäre. Er wolle die Verantwortlichen "am Fleischerhaken" baumeln sehen, tobte Sarkozy damals. Nun ist es nicht de Villepin, der baumelt. Vielmehr hat er die Opferrolle umgedreht.
Und schon greift der Ex-Premier an. Er wolle Frankreich wieder aufrichten, verkündete er nach dem Urteilsspruch - seine Ambitionen für die Präsidentschaftswahl 2012 versteckt er nicht. Bei Reisen durch Frankreich wirbt de Villepin für eine "Alternative" zu Sarkozy und kritisiert dessen politische Aktionen offen. Er sammelt Anhänger im "Club Villepin", aus dem eine neue Partei abseits der Regierungspartei UMP entstehen könnte. Und er inszeniert sich als Siegertyp. Denn diesen Schlag von Menschen mögen seine Landsleute.