Zum Hauptinhalt springen

Freitag, der 13. für den Lissabon-Vertrag

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Fast 54 Prozent der Iren stimmen gegen den Vertrag. | Sinn Fein profitiert von der Ablehnung. | Dublin/Wien. Es war kein besonders guter Stern, unter dem der Lissabon-Vertrag bei der Volksabstimmung in Irland stand. Am Freitag, den 13., stimmte die Mehrheit der Iren gegen den EU-Reformvertrag. Nach Auszählung von 42 der 43 Wahlkreise lag das Nein am Freitagnachmittag mit 53,7 Prozent uneinholbar voran, teilte die Referendumskommission in Dublin mit. Der Vertrag, der die jahrelange institutionelle Krise der Union beenden sollte, kann nur in Kraft treten, wenn alle 27 EU-Staaten ihm zugestimmt haben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Noch vor wenigen Wochen war man in Brüssel guten Mutes und sogar zu Scherzen aufgelegt. Irlands Premierminister Brian Cowen würde nach der Abstimmung vor lauter Beglückwünschungen in Brüssel die Hand weh tun, hieß es. Nun kann er sogar fürchten, überhaupt keine mehr gereicht zu bekommen. Denn drei Jahre nach dem Scheitern der EU-Verfassung am Nein der Holländer und Franzosen steht die Europäische Union nach der Ablehnung des Lissabon-Vertrags erneut vor einem Scherbenhaufen.

Störrisch hatte man sich auf Seite der EU und der Vertrags-Befürworter geweigert, einen "Plan B" ins Auge zu fassen. Nun werden die EU-Funktionäre daran gehen müssen, einen auszuarbeiten.

Besonders ärgerlich ist das Nein für Deutschland und Frankreich, macht es doch den größten außenpolitischen Erfolg der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zunichte. Sie hatte den Lissabon-Vertrag als "Verfassung Light" vor einem Jahr unter ihrem EU-Vorsitz mühsam gegen Briten und Polen durchgeboxt. Und Frankreich wird wohl mit der Agenda seiner am 1. Juli beginnenden EU-Ratspräsidentschaft ins Schleudern kommen. Denn der größte Teil der Treffen dürfte nun zu Krisensitzungen ausarten.

In Irland selbst ist nach dem Nein ebenfalls bereits eine politische Krise im Anrollen. Die Opposition wird der Regierung die Schuld an dem Ausgang des Referendums geben und den Druck auf Cowen verstärken.

Richtig freuen darf sich Mary-Lou McDonald von der nationalistischen Sinn Fein. Diese war als einzige Partei offen gegen den EU-Reformvertrag aufgetreten. Es war fast schon bewundernswert, wie McDonald einen aussichtslos scheinenden Kampf führte, nur um der Sinn Fein nach dem schlechten Abschneiden bei den letzten Wahlen wieder politisches Profil zu geben. Jetzt kam sie zum Sieg wie die Jungfrau zum Kind und darf einer rosigen politischen Zukunft entgegenblicken.

Ebenfalls über das Nein freute sich Multimillionär Declan Ganley, der mit seinem Institut Libertas der Hauptsponsor der Kampagne gegen den Lissabon-Vertrag war. "Europa muss auf die Stimme des Volkes hören", sagte Ganley am Freitag. Premier Brian Cowen habe nun "ein Mandat nach Europa zurückzugehen und den bestmöglichen Job zu machen." Publikumswirksam hat er für den Premier bereits ein Ticket nach Brüssel ohne Rückflug gebucht. Dort solle Cowen einen besseren Vertrag aushandeln.

Kein zweites Votum

"Vielleicht war es ein Fehler, nicht so wie die Gegenseite eine negative Kampagne aufzuziehen", sagte Europaminister Dick Roche. Gespräche mit den Vertragsgegnern von Libertas und Sinn Fein schloss die Regierung jedoch aus. "Wir werden mit dem Volk sprechen", sagte der Sprecher des Ministers, David Grant. Wie es weitergehen soll weiß keiner. "Wir werden den EU-Gipfel nächste Woche abwarten", sagte Grant zur "Wiener Zeitung".

Es ist das zweite Mal, das eine Volksabstimmung in Irland über einen EU-Vertrag negativ ausgeht. Im "Nizza-Referendum" im Jahr 2001 stimmten 53,1 Prozent mit "Nein". Erst in einem zweiten Wahlgang und nach Zugeständnissen an Irland segnete das Volk den Vertrag ab. Solch eine zweite Abstimmung wird es aber diesmal auf keinen Fall geben, heißt es unisono quer durch alle Parteien.