Monatelang keine Familienbeihilfe: Das Freiwillige Soziale Jahr hat einige Tücken. Anpassungen beim Gedenkdienst geplant.
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Wien. Valerie Draxler arbeitet in einer Keramikwerkstatt und hilft beim Töpfern. Einige der Klienten sind gehörlos, andere haben geistige Behinderungen. Hier arbeitet die 20-Jährige seit September, gleich nach der HTL-Matura hat sie ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) angetreten.
90 Prozent Frauen
90 Prozent der jungen Menschen, die ein FSJ machen, sind Frauen. Meist arbeiten sie mit Kindern, sind in der Altenpflege oder Behindertenbetreuung tätig. Was bringt Jugendliche dazu, ein Jahr lang für ein Taschengeld zu arbeiten? Manche wollen zuerst in die soziale Arbeit hineinschnuppern, bevor sie sich für eine Ausbildung in dem Bereich entscheiden. Andere wollen ein Jahr lang einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. "80 Prozent bleiben nachher im Sozialbereich. Für jene, die sich danach gegen den sozialen Beruf entscheiden und einfach nach der Schule praktisch anpacken wollten, ist diese Erfahrung fast noch wichtiger", sagt Harald Fartacek, Geschäftsführer des Vereins zur Förderung freiwilliger sozialer Dienste. Der Verein ist mit 500 Ausbildungsplätzen der größte Trägerverein Österreichs, insgesamt gibt es etwa 800 Plätze. Draxler wollte immer schon mit Menschen mit Behinderung arbeiten und berichtet, dass sie sich mit den Klienten bereits gut in Gebärdensprache verständigen kann. Trotzdem will sie nach diesem Jahr wieder technisch arbeiten, um später beides - Technik und Arbeit mit Gehörlosen - zu verbinden. Im Freiwilligengesetz ist geregelt, dass das FSJ ein Ausbildungsverhältnis ist. "Das war notwendig, um nicht eine Legalisierung von prekären Arbeitsverhältnissen zu ermöglichen", so Fartacek. "Wer die Bakip (Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik, Anm.) gemacht hat, darf im Freiwilligen Sozialen Jahr nicht im Kindergarten arbeiten. Diese Person wäre regulär anzustellen."
Junge Männer können sich das Freiwilligenjahr als Zivildienst anrechnen lassen. Anders als im Zivildienst arbeiten die jungen Menschen nicht nur praktisch, in Begleitseminaren wird reflektiert. Man setzt auf Persönlichkeitsentwicklung und Berufsorientierung: "Sie sollen lernen, nein zu sagen und ihre Stärken zu erkennen", so Fartacek. Bei diesem Trägerverein sind es vier Seminarwochen, vorab wird die Eignung in einem sechsstündigen Aufnahmegespräch getestet, zudem gibt es einen Kennenlerntag in der sozialen Einrichtung.
Familienbeihilfe mit Lücken
"Das Freiwillige Soziale Jahr entwickelt sich gut. Deutlich mehr junge Menschen nehmen es in Anspruch", sagt Vereinsvorsitzende Judit Marte-Huainigg. Doch viele Trägervereine kritisieren, dass die Familienbeihilfe in den Monaten nach der Matura bis zu Beginn des FSJ nicht bezahlt wird, ebenso wenig wie nach dem beendeten FSJ bis zum Studienbeginn. Den Betroffenen entfällt dadurch - anders als Zivildienern oder regulär Studierenden - die Familienbeihilfe meist für drei bis sechs Monate. Dass diese Lücken noch nicht geschlossen wurden, ist für Marte-Huainigg "nicht nachvollziehbar", und auch Fartacek sagt: "Es ist unsere dringende Bitte, die Familienbeihilfe nicht nur während des Einsatzes, sondern auch in den Ferienmonaten zu bezahlen."
Zudem sollen sie wie Zivildiener ein Jahr länger studieren können und dennoch die Familienbeihilfe bekommen (im Normalfall wird ab dem 24. Lebensjahr Studierenden die Familienbeihilfe nicht mehr bezahlt, Anm.). Ist das nicht ungerecht? Im Familienministerium will man das "nicht bewerten", auf Nachfrage heißt es, es seien hier keine Änderungen geplant. Verbesserungsbedarf gibt es auch bei Auslandsdiensten wie dem Gedenkdienst und dem sozialen Auslandsdienst.
Gleichberechtigung gefragt
Derzeit wird dieser nur Burschen finanziert, die ihn anstelle des Zivildienstes machen. Frauen können zwar auch in Holocaust-Gedenkstätten arbeiten, müssen die Kosten dafür aber selbst tragen. Das führt dazu, dass kaum Frauen in diesen Museen oder Archiven arbeiten - die "Wiener Zeitung" berichtete. Doch Anpassungen im Freiwilligengesetz sind geplant, erklärt Edeltraud Glettler vom Sozialministerium. Sie verweist auf das Regierungsabkommen, in dem es heißt: "Auslandsdienste werden unter Berücksichtigung des gleichberechtigten Zugangs für Frauen und Männer gesetzlich im Freiwilligengesetz verankert und finanziell abgesichert". Wann wird das umgesetzt? "In absehbarer Zeit und jedenfalls in dieser Legislaturperiode", sagt Glettler, es liefen Gespräche.
Geld für Sozialdienst bekommen in Österreich vor allem kirchliche Organisationen. Andere Vereine wie der österreichische Auslandsdienst, die auch Sozialdienst anbieten, müssen mit weniger Geld auskommen. Die Anmeldung für das Freiwilliges Soziale Jahr läuft. Bis Sommer werden beim Verein FSJ Anmeldungen entgegengenommen.