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Fremdenhass ist nicht angeboren

Von Stefan Beig

Politik
Sozialpsychologe in Innsbruck: Josef Berghold. Foto: Berghold

Scheu vor Fremdem könnte aber natürlich sein, meint Berghold. | "Ausländerfeindlichkeit ist etwas völlig anderes." | Sozialer Stress könne Abneigung gegenüber Zuwanderern fördern. | Wien. Eine gewisse Scheu vor dem Fremdartigen scheint universell zu sein, meint der in Klagenfurt und Innsbruck lehrende Sozialpsychologe Josef Berghold. Plausibel seien etwa die Studien des österreichischen Verhaltensforschers Irenäus Eibl-Eibelsfeldt. Die Ursachen für die Scheu vor Fremden könnten demnach in der Frühzeit liegen, als unsere Vorfahren über längere Zeit nur in Kleingruppen lebten. Prägend sei auch die Angst, die bei acht Monate alten Kindern ausbricht, wenn sie auf eine fremde, nicht vertraute Mitwelt stoßen.


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"Aber daraus kann man nicht automatisch Fremdenfeindlichkeit ableiten", betont Berghold. "Neugierde ist ebenso natürlich. Und Fremdenscheu hat mit Fremdenfeindlichkeit nichts zu tun. Dennoch wird das Zweite oft zum Vorwand für das Erste genommen." Josef Berghold ist heute, Donnerstag, einer der Vortragenden bei der Konferenz "Demographie, Migration und europäische Identität: Herausforderungen an Europa?" im Radiokulturhaus - er spricht über psychologische Aspekte der Ausländerfeindlichkeit.

Bei starkem sozialen Stress tendiere der Mensch dazu, andere zum Sündenbock für die eigenen Probleme zu machen. Das sei bis zu einem bestimmten Grad natürlich: "Gewisse Reaktionsweisen, die dazu drängen, in Menschen Feindbilder zu sehen, gehören zur Grundausstattung des Menschen." Die Probleme werden dann in den Anderen hineinprojiziert und so entstehe eine Anfälligkeit zu Feindseligkeit. "Ob das aber schon zu Feindbildern führt, ist eine andere Frage."

Wann entwickeln Menschen solchen Hass gegen selbstkonstruierte Feindbilder? Mit den psychologischen Ursachen in der frühen Kindheit hat sich vor allem der Schweizer Psychologe und Psychoanalytiker Arno Grün befasst. "Wer in jungen Jahren zu wenig Mitgefühl erfährt, verleugnet die eigenen Gefühle", so Berghold. "Solche Menschen verdrängen ihre eigenen nicht-integrierten Gefühle, weil diese nicht von ihrem Umfeld angenommen werden. Danach suchen sie ihre verleugneten Neigungen beim Anderen, um sie dort zu bekämpfen. Arno Grün sprach daher vom Fremden in uns."

Die nicht bewältigte Eifersucht auf jüngere Geschwister führt der US-amerikanische Psychoanalytiker Jakob Arlow als weitere Ursache für Fremdenfeindlichkeit an: "Neugeborene Babys können zunächst gar nichts, bekommen aber dennoch sehr viel Aufmerksamkeit", erklärt Berghold. Im Kopf der Betroffenen ähnelt später der Zuwanderer dem Neugeborenen. Das führe dann zu den bekannten aburteilenden Klischees - Migranten werden bevorzugt, arbeiten aber überhaupt nicht.

Berghold ist überzeugt, dass vor allem eine allgemeine Grundstimmung der Ausländerfeindlichkeit Aufwind gibt. "Es geht weniger um die tatsächliche soziale Situation, sondern um das Gefühl: Geht es runter oder rauf? Dabei hängt viel von der subjektiven Wahrnehmung und Erwartung ab, was die eigene Zukunft betrifft."

Denn auch die soziale Situation vieler Menschen erhöhe den Stress, der die genannten Abwehrmechanismen hervorruft. Zwar ist die Arbeitslosigkeit derzeit unter der einheimischen Bevölkerung deutlich niedriger als bei Zuwanderern; doch die fehlende berufliche Sicherheit sei für viele eine neue Erfahrung. "Man kann sich nur mehr schwer eine dauerhafte berufliche Identität aufbauen." Gesteigert werde der Stress durch ein gesellschaftliches Klima, in dem man Schwäche nicht zeigen darf, weil der Erfolgsmensch verherrlicht werde. Fehlende Familien, Freundschaften und Kollegen, "die einem das Gefühl geben, jemandem vertrauen zu können und aufgehoben zu sein", tragen auch dazu bei.

Hinter Ausländerhass stecken eigene Ängste

"Hinter den typischen ausländerfeindlichen Vorwürfen stecken oft Ängste, für sich genommen nicht abwegig sind", meint der Sozialpsychologe. "Sie richten sich nur gegen das falsche Objekt. Die Hauptvorwürfe sind: Ausländer nehmen uns Arbeitsplätze weg, gefährden die soziale Sicherheit und passen sich nicht an, sodass sich die Einheimischen nicht mehr wohl fühlen. Die Ängste dahinter sind nicht nur irrational: Arbeitsplätze sind tatsächlich unsicher, auch fehlt vielen Menschen die Verankerung in sozialen Netzwerken." Wenn die Betroffenen sich solchen Ängsten nicht stellen könnten, sei es für sie naheliegend, die Schwächeren dafür verantwortlich zu machen. "Zuwanderer sind unfreiwillige Boten der verunsichernden Seiten der Globalisierung. Leider wurden schon in der Vergangenheit die Boten oft so behandelt, als wären sie selbst schuld."

Berghold verweist in diesem Zusammenhang auch auf die eben erschienene Studie "Gleichheit ist Glück". Sie zeige, dass sozialpyschologische Probleme mit dem Ausmaß an Ungleichheit des Einkommens zusammenhängen: "Je höher die Einkommensunterschiede einer Gesellschaft, desto größer der ,Status-Stress."

Das Suchen nach Sündenböcken für den eigenen Stress ist demnach nichts Neues. Doch warum trifft es so oft Zuwanderer? "Ausländerfeindlichkeit ist nur eine Form von Diskriminierung. Menschen, die ethnisch, kulturell oder national als anders wahrgenommen werden, bieten besonders viele Angriffspunkte."