Securities handeln im Auftrag der Besitzer. | Juristen sehen eine unmittelbare Diskriminierung. | Wien. Diskriminierung beim Zutritt zu Wiener Nachtlokalen ist immer noch alltäglich. Das berichten Betroffene und Türsteher. Dabei werde nicht nach Deutschkenntnissen, Integrationswilligkeit oder nach der Staatsbürgerschaft gefragt, sondern oft schlicht nach der Hautfarbe beurteilt, wer hinein darf und wer nicht. Obwohl es im März zu einem Präzedenzfall gekommen war, bei dem ein Disco-Betreiber verurteilt wurde, hat sich an der Praxis der Türpolitik von Pubs und Discos nach wie vor nicht viel verändert.
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Aussagen wie "Geschlossene Gesellschaft", "nur Stammkunden" oder "das Lokal ist voll" seien in der Regel nichts weiter als Ausreden von Türstehern oder Securities, um unerwünschte Gäste abzuwimmeln, berichtet Türsteher Amir (Name von der Redaktion geändert). Amir gehört selbst einer ethnischen Minderheit an und arbeitet seit zwölf Jahren an der Tür eines Lokals im Bermudadreieck in der Wiener Innenstadt (die Adresse ist der Redaktion bekannt). Nicht einmal seiner Familie oder Freunden empfiehlt er, ins Lokal zu kommen, weil er ihnen wohl oder übel auch den Zutritt verweigern müsste.
Den Auftrag, so zu handeln, bekäme er von der Geschäftsführung. Der Familienvater gibt an, aus Angst um seinen Job diese Anweisung auszuführen, obwohl er selbst sie für ethisch fragwürdig hält. Die Hauptverantwortung für die diskriminierende Praxis liegt für ihn bei den Lokalbesitzern und nicht bei den Türstehern. Letztere würden "von den Medien immer als die Bösen dargestellt", obwohl sie "eigentlich aber nur ihren Job machen". Jeder Mitarbeiter des Lokals wisse von der Anweisung der Besitzer. Würde jemand am Eingang Ausnahmen machen, wüssten alle, wer es war. Einige seiner Kollegen hätten wegen solcher Ausnahmen bereits ihren Job verloren.
Gleich mehrere Stolpersteinefür rechtliche Schritte
Rechtlich ist die Sache jedoch eindeutig geregelt. Im Gleichbehandlungsgesetz steht zum Thema Antirassismus unter anderem, dass aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit niemand diskriminiert werden darf. Der Geltungsbereich umfasst auch den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, also auch den Eintritt in eine Diskothek. Als unmittelbare Diskriminierung gilt laut Gesetz, "wenn eine Person auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt". Im Wiederholungsfall kann dem Lokalbesitzer zudem durch eine Verwaltungsstrafe die Gewerbeberechtigung entzogen werden.
Rechtlich gesehen ist das ein klarer Fall, sollte man meinen. Dennoch kam es erst im März 2010 zur ersten Verurteilung in Sankt Pölten. Ein Discobetreiber musste 1440 Euro Schadenersatz zahlen, weil er einem jungen Gast mit Migrationshintergrund zweimal den Zutritt verweigern ließ. Jedes Mal kam der Besucher mit einem Freund, der ohne Probleme eingelassen wurde. Das Gericht betonte, dass "dem Kläger der Einlass ausschließlich aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit" verweigert wurde, die durch sein "fremdes" Aussehen erkennbar war. Seither gab es noch zwei weitere Verurteilungen, die jedoch noch nicht rechtskräftig sind.
Laut dem Verein Zara (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) besteht ein Hauptproblem darin, dass der Großteil der Betroffenen nicht wüsste, wer in solchen Fällen zuständig ist. Zara bietet Beratungen an und unterstützt Betroffene bei rechtlichen Schritten. Der von Zara mitbegründete Klagsverband übernimmt sogar die Gerichtskosten, wenn jemand eine Klage verliert. Wiewohl er aus Ressourcenknappheit nicht alle Fälle vor Gericht vertreten könne, wie der Leiter der Zara-Beratungsstelle, Wolfgang Zimmer, erklärt. Neben dem Kostenrisiko gäbe es das Problem, dass oft aus Mangel an Beweisen keine guten Chancen vor Gericht hätten.
Zeugen seien äußerst wichtig und sie sollten schnellst möglich ein schriftliches Gedächtnisprotokoll anlegen. Auch benötigen Betroffene handfeste Indizien dafür, dass die tatsächlich aufgrund der Hautfarbe nicht hineingelassen wurden, um eine Klage führen zu können. Dazu zählen etwa andere Gäste, die ohne "Stammkundenabfrage" hineingelassen wurden.
Im äußersten Fall kann ein Verfahren bis zu vier Jahre dauern. "Nur die wenigsten unserer Klienten haben Interesse, sich jahrelang mit einem diskriminierenden Vorfall zu beschäftigen", sagt Zimmer. Allen sei jedoch der Wunsch gemein, abends ausgehen zu können, ohne befürchten zu müssen, beim Eingang in ein Lokal öffentlich diskriminiert zu werden. Doch nur jeder fünfte Betroffene unternehme nach einer Beratung rechtliche Schritte.
"Die Gesetze ändern dasVerhalten der Leute nicht"
Alan (Name geändert), ein Wiener mit nigerianischen Wurzeln, ist einer dieser Betroffenen. Er hat sich daran gewöhnt, in gewisse Lokale nicht hinein zu kommen. "Das war doch schon immer so. Was soll sich daran schon großartig ändern?", so der 22-Jährige. Man solle sich einmal Samstagabend im Bermudadreieck beim Schwedenplatz umschauen und die Schwarzen dort zählen. "Die wirst du wahrscheinlich an einer Hand abzählen können", sagt Alan. Für ihn ist die gesetzliche Lage irrelevant. "Gesetze gibt es viele, die ändern aber das Verhalten der Leute nicht." Er gehe wohl oder übel in andere Lokale, wo er sicher erwünscht ist.
Amir zufolge liegt der Grund dafür, dass trotz allem viele ausländisch aussehende Menschen abends in den Wiener Stadtbahnbögen oder in der Innenstadt zu sehen sind, einzig und allein darin, dass mittlerweile viele neue Österreicher Lokale aufgemacht haben. Amir empfiehlt Jugendlichen, die nicht "österreichisch" aussehen, das, was er auch seinem Sohn empfiehlt: "Wenn du Türke bist, geh in türkische Lokale, wenn du Afrikaner bist, geh in afrikanische Lokale." So sieht für Amir Integration aus.