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Fressen oder gefressen werden

Von Karl Leban aus Bologna

Wirtschaft
Versicherer müssen künftig einen größeren Schirm haben, um vor Krisen gefeit zu sein.
© © © James Leynse/Corbis

Bis zu 15 Prozent der Versicherer könnten vom Markt verschwinden.


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Bologna. So wie Banken müssen ab 2013 auch Versicherer ihr Geschäft mit mehr Eigenkapital unterlegen. Das neue Regelwerk Solvency II, dem Europas Regulatoren gerade den finalen Schliff geben, soll die Branche krisenfester machen. Mit Blick auf die künftigen Vorschriften rechnet Matthias Müller-Reichart, Hochschulprofessor in Wiesbaden, mit großen Umbrüchen in der Versicherungswirtschaft.

Von einem "Armaggedon" will der deutsche Experte nicht sprechen, aber auch nicht von einem "Sturm im Wasserglas". Für kleine und kapitalschwache Versicherer könnte Solvency II allerdings zur Überlebensfrage werden. Müller-Reichart erwartet deshalb eine Konsolidierungswelle. Laut seiner Einschätzung könnten im äußersten Fall in den nächsten zehn Jahren europaweit 10 bis 15 Prozent der Assekuranzen durch größere Konkurrenten übernommen werden.

Schrumpft die Zahl der Anbieter (allein in Österreich gibt es aktuell 105 Versicherer), leidet freilich der Wettbewerb. Dies könnte Versicherungspolizzen zumindest tendenziell verteuern.

Den zusätzlichen Kapitalbedarf durch Solvency II schätzt Müller-Reichart auf durchschnittlich 20 bis 25 Prozent, wie er in Bologna bei einem Presse-Briefing der Generali Österreich sagte. Die größte Herausforderung für die Branche sieht der Experte aber nicht darin, sondern vielmehr in den umfangreichen Berichtspflichten und den neuen Anforderungen, Risiko zu managen.

Denn dies werde die Kosten erhöhen, womit das Versicherungsgeschäft in Zukunft generell weniger Rendite abwerfe, so Müller-Reichart. Ob Investoren als Kapitalgeber weiterhin bei der Stange gehalten werden können, ist damit jedoch ähnlich wie bei den Banken fraglich.

Null Kapital für Staatsbonds

Mit Solvency II soll die Versicherungsbranche jedenfalls noch stabiler werden, obwohl es in der europäischen Nachkriegsgeschichte hier bisher keine Pleiten gegeben hat. Die neuen Vorschriften ersetzen den alten Standard Solvency I. Sie sind - eine Lehre aus der Finanzkrise - nun auch auf Investmentrisiken gerichtet, die bisher de facto nicht erfasst waren.

So müssen Immobilien, die für gewöhnlich als relativ sicher gelten, nach jüngstem Planungsstand mit Eigenmitteln in Höhe von 25 Prozent des Verkehrswerts unterfüttert sein. Bei Aktien sind es sogar bis zu 49 Prozent des fairen Werts, während Staatsanleihen - selbst die von kriselnden Euro-Schuldenländern - mit null Kapital zu unterlegen sind.

In Letzterem ortet Müller-Reichart den politischen Wunsch, dass Versicherer den Staat auch künftig mit Liquidität versorgen. Daher das regulatorische "Zuckerl". In Österreich etwa sind Versicherer die größten Gläubiger der öffentlichen Hand.

Generali trotzt Markttrend

Die Generali Österreich ist im ersten Halbjahr - anders als der Gesamtmarkt - gewachsen. Das Prämienvolumen stieg um 0,6 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro, während es für die übrige Branche gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum ein Minus von 1,1 Prozent setzte. Die stärksten Zuwächse verzeichnete die Generali mit 14,6 Prozent in der Lebensversicherung, wie Österreich-Chef Luciano Ciriná in Bologna berichtete. Mit rund 50 Millionen Euro blieb der Vorsteuergewinn unverändert - trotz Abwertung griechischer Staatspapiere um 50 Prozent auf 20 Millionen Euro.