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Wir erleben gerade den Todestrieb einer politischen Bewegung. Vielleicht hätte sie eine normale Partei werden sollen. Die sind langlebiger.
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Frank wollte ja eigentlich nie eine Partei gründen. Politische Parteien und Berufspolitiker, kurz: "das System", sind für den angloamerikanisierten Selfmade-Milliardär aus der Steiermark der Stoff, aus dem unsere Probleme sind.
Gegründet hat er dann aber doch eine Partei. Die sollte aber natürlich anders als die anderen sein. Originell war das allerdings nicht wirklich: Schon seit den Grünen will keine neue Partei mehr eine "normale Partei" sein. Wobei: Was ist schon normal, in der Politik zumal?
Zumindest was die Vergangenheit angeht, muss man bedauern, dass Sigmund Freud sein tiefenpsychologisches Analysetalent nicht auch auf politische Institutionen gemünzt hat. Er hätte zweifellos seine helle Freude gehabt. Hier wie sonst nur noch in der Familie spielen sich mythische Grundkonflikte ab. Und über dem innigen Verhältnis der Republik zu ihren Parteien schwebt ja überhaupt der Generalverdacht eines allgegenwärtigen Tabuverstoßes namens Inzest.
Es waren die Parteien, die zwei Mal - 1918 und 1945 - an der Wiege der Republik standen; es waren sie, die den mühsamen Kompromiss um die verfassungsrechtlichen Spielregeln federführend konzipierten; und es waren die Parteien, die das Land - weit über das Politische hinaus - mit einem Netzwerk an Vorfeldorganisationen überzogen; und es ist nicht auszuschließen, dass sie noch da sein werden, wenn es diesen Staat in seiner jetzigen Form gar nicht mehr gibt. Nur eines haben die Parteien tunlichst vermieden: ihre eigene Rolle im Machtgefüge Österreichs zu definieren. Kein Wort findet sich in den offiziellen Dokumenten der Republik über die Parteien, sie waren die großen Ungenannten, die doch immer schon da waren.
Es dauerte bis 1975, bis sich SPÖ und ÖVP ins Unvermeidliche fügten und in einem Parteiengesetz ihre Angelegenheiten wenigstens auf das Allernotwendigste förmlich regelten. Damals wurde das Offensichtliche festgeschrieben: dass die Parteien wesentlicher Bestandteil der Demokratie des Landes sind. Bemerkenswert ist, dass Österreich als durch und durch bürokratisiertes Land ausgerechnet die Gründung und Arbeit politischer Bewegungen ausgesprochen unspezifisch handhabt (mit Ausnahme nationalsozialistischer Wiederbetätigung). Ein rares Beispiel von Liberalität.
Auch wie es die Parteien mit dem Mammon hielten, blieb von der Normierung weitgehend unberührt. Kein geringer Schönheitsfehler und entsprechend regelmäßig sorgten zweifelhafte Geldquellen und Finanzierungskonstrukte für verlässliche Schlagzeilen in den vergangenen dreißig Jahren. Erst 37 Jahre und zahllose anrüchige Geldflüsse später rangen sich die Parteien zu einer umfassenden Novellierung des Parteiengesetzes durch, das Österreich diesbezüglich erstmals auf die Höhe der Zeit hievte. Hätten die Parteien noch sechs Jahre weiter zugewartet, wäre sich ein schönes rundes Jubiläum ausgegangen - zum hundertsten Jahrestag der Ausrufung der Republik. Aber das wäre den Nachfolgern jener Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und der Christlichsozialen, die beim Zusammenbruch der Monarchie 1918 das Heft des Handelns in die Hand nahmen, wohl dann doch zu viel der demokratiepolitischen Verspätung gewesen.