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Die Dauerherrschaft der Liberaldemokratischen Partei (LDP) in Japan ist zu Ende. Erstmals seit 1955 stellt die bisherige Staatspartei nicht mehr die stärkste Fraktion im Unterhaus. Sie muss das Zepter an die Demokraten (DPJ) abgeben.
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Der Filz, die Korruption und der Nepotismus der Monopolpartei hatten der Bevölkerung schon lange Verdruss bereitet. Doch der LDP war es immer wieder gelungen, sich durch Gefälligkeiten die Loyalität der Wähler zu erkaufen. Die Basis ihrer Macht waren die Wahlkreise abseits der Ballungsräume, die mit öffentlichen Bauaufträgen versorgt wurden. Im Gegenzug kassierte die Partei die Spenden der Baufirmen und die Stimmen der ländlichen Bevölkerung. Für dieses Perpetuum mobile der Macht hat Japan teuer bezahlt: mit Staatsschulden in doppelter Höhe der Wirtschaftsleistung, einer aufgeblähten Bauindustrie, einem überbordenden Bürokratieapparat und einer Rekordarbeitslosigkeit.
Seit wenigen Jahren existierte zwar in Gestalt der Demokratischen Partei (DPJ) eine wählbare Alternative. Doch erst der heftige Konjunktureinbruch in Folge der Weltwirtschaftskrise ließ bei der Mehrheit der Wähler die Erkenntnis reifen, dass die alten Rezepte nicht mehr taugen. Die gute Nachricht ist, dass nach diesen schlechten Erfahrungen die Erwartungen an die neue Regierung eher niedrig sind. Die DPJ braucht nur einige ihrer Versprechen zu erfüllen, um in der öffentlichen Bewertung besser abzuschneiden als die ausgelaugte LDP.
Dennoch fällt auf, wie wenig sich die Japaner über den Wechsel freuen können. Zu groß ist die Skepsis, wie die Konzepte der neuen Machthaber realisiert werden können. Im Wahlkampf hat DPJ-Spitzenkandidat Yukio Hatoyama eine "warmherzige Politik im Dienste der Menschen" versprochen. Aber das Wahlmanifest enthält so viele Lücken und Widersprüche, dass kein kohärentes Bild der künftigen Politik entsteht.
Zum Beispiel ist keine Wachstumsstrategie zu erkennen. Sicher einen Versuch wert ist der Ansatz, die Exportabhängigkeit durch eine stärkere Binnennachfrage zu verringern. Zugleich will die DPJ ein Kindergeld einführen, die Autobahn- und Schulgebühren streichen und Bauern und Pensionisten ein Mindesteinkommen geben. Zudem versprach sie, den Mindestlohn schrittweise auf etwa 7,50 Euro zu erhöhen und die Zeit- und Vertragsarbeit einzuschränken. Doch damit gefährdet sie die Wettbewerbsfähigkeit etwa gegenüber China.
Offen ist auch die Frage der Finanzierung des Wechsels. Wer 125 Milliarden Euro jährlich zusätzlich ausgeben will, muss eine Gegenfinanzierung vorlegen. Es wird nicht reichen, wie angekündigt, versteckte Haushaltsschätze zu heben und Ausgaben umzuschichten - etwa die Bauaufträge zu kürzen.
Siehe auch:Historischer Machtwechsel in Japan