Täglich neue Enthüllungen über die Zeit als Niedersachsens Landeschef.
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Berlin. Schon seit Tagen verweisen die deutschen Medien mit Häme auf das Interview-Buch, das der heutige Bundespräsident Christian Wulff im Jahr 2007 produziert hat. Zu schön passte der Titel "Besser die Wahrheit" auf den damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, der vor dem heimischen Landtag geschäftliche Beziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens leugnete, dabei aber verschwieg, dass er von dessen Ehefrau einen 500.000-Euro-Kredit bekommen hatte. Jetzt bringt das Buch den deutschen Bundespräsidenten in noch größere Schwierigkeiten.
Grund dafür ist eine Aktion von Carsten Maschmeyer, gleichfalls ein Wulff-Freund, Gründer des Finanzdienstleisters AWD und als solcher vom österreichischen Verein für Konsumenteninformation mit einer Strafanzeige bedacht, weil der Verdacht des schweren gewerbsmäßigen Betrugs beim Verkauf von Immofinanz- und Immoeast-Aktien an Kleinanleger durch die AWD besteht. Maschmeyer hatte 2008 eine Anzeigenkampagne für das Buch bezahlt, in dem der damalige Landeschef sein privates und politisches Leben beschreibt. Kosten: 42.700 Euro aus Maschmeyers Privatvermögen. Der Unternehmer habe damit dem Verlag Hoffmann und Campe helfen wollen, in dem das Werk erschien, sagte eine Sprecherin Maschmeyers. Manfred Bissinger, Geschäftsführer des Verlages, meinte, es sei ein branchenüblicher Vorgang, dass man Unternehmer bitte, sich an der Vermarktung zu beteiligen. Dem widersprechen allerdings andere Verlage.
Wulff soll indessen von all dem nichts gewusst haben, lassen die Beteiligten verlauten. Laut "Bild"-Zeitung, die die Affäre aufdeckte, sei das Interview-Buch allerdings ein wichtiges Instrument im niedersächsischen Landtagswahlkampf 2007 gewesen. Die CDU habe seinerzeit mehrere tausend Exemplare gekauft und sie als Wahlwerbung verschenkt. "Bild", das Massenblatt aus dem konservativen Axel-Springer-Verlag, gehört zu den besonders scharfen Kritikern am Verhalten des Präsidenten in diesen Fragen. Auch die Affäre um den Privatkredit hatte die Zeitung ins Rollen gebracht.
Fragwürdige Urlaube
Mit dieser Frage sollte sich am Dienstagnachmittag auch der Ältestenrat des niedersächsischen Landtags befassen. Insbesondere wollte man der Frage nachgehen, ob Wulff mit der Kreditannahme gegen das Ministergesetz des Landes verstoßen hat. Gleichzeitig sollten die Verbindungen zu anderen Geschäftsleuten untersucht werden, bei denen Wulff als Regierungschef Urlaub gemacht hat. Die Sitzung des Ältestenrats wurde allerdings nach kurzer Zeit im Streit abgebrochen. CDU und FDP erklärten, der Ältestenrat sei nicht zuständig. Aus der SPD hieß es dagegen, die Regierung zeige eine "destruktive Haltung".
Eine Liste der Urlaube hatte Wulff am Sonntag veröffentlicht. Demnach verbrachte er von 2003 bis 2010 sechs Urlaube bei Freunden in Spanien, Italien, Florida und auf der Nordseeinsel Norderney. Drei davon waren bei den Geerkens. Im Sommer 2010 besuchte er - bereits als Bundespräsident - Maschmeyer. Diesen Urlaub hat Wulff allerdings selbst bezahlt.
Bisher, so die übereinstimmende Meinung von Kommentatoren, gebe es keine Hinweise auf illegale Handlungen des Bundespräsidenten. Moralisch ist er aber jedenfalls in ein schiefes Licht geraten. 70 Prozent der Deutschen wollen ihn laut einer ARD-Umfrage allerdings trotzdem als Präsidenten behalten. Nicht in Ordnung findet eine Mehrheit freilich die Urlaubseinladungen.