Der dritte Teilstrich brachte die eigentliche Überraschung. Im neu gefassten Paragraph über die Umsatzsteuerpflicht beim Eigenverbrauch wurde von unseren fleißigen Parlamentariern ein Zusatz eingeflochten, und weil es ohnehin schon so viele Absätze und Unterabsätze gibt, teilte man die einzelnen Tatbestände einfach nach Gedankenstrichen ein. Der dritte also galt einer neuen Steuerpflicht, mit der unabdingbare EU-Vorgaben umgesetzt werden mussten: der neuen Umsatzsteuerpflicht betrieblicher Werbegeschenke.
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Versuchen wir es mit einem kurzen Satz: Seit Jahresbeginn sind Werbegeschenke, die Unternehmer an Geschäftspartner oder an Privatpersonen verteilen, bei den schenkenden Unternehmern umsatzsteuerpflichtig. Das ist die Generalnorm. Aber wir betreten Neuland und jeder wird verstehen, dass neue Gesetzesstellen erst umfangreicher wissenschaftlicher Analysen, Fachartikel und Richtlinien bedürfen, um praktisch anwendbar zu sein. Da verwundert es auch nicht, dass dazu im großen heimischen USt-Kommentar Hinweise wie "fraglich", "im Gesetz nicht näher erläutert", "problematisch" oder "praktische Schwierigkeiten bei der Anwendung" vorkommen.
Was ist da passiert? Der neue Gesetzesstrich im § 3 Abs. 2 UStG stellt "unentgeltliche Zuwendungen, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens" einer entgeltlichen Lieferung gleich und macht sie umsatzsteuerpflichtig, im Regelfall wohl zu 20 %.
Der Finanzausschuss, der den neuen Tatbestand nachträglich in die Gesetzesvorlage eingepflanzt hat, schreibt dazu: "Nach der neuen Bestimmung werden unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen besteuert, die aus unternehmerischen Gründen (z.B. zu Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege) erbracht werden. Hierunter fallen höherwertige Geschenke an Geschäftsfreunde, Sachspenden an Vereine, Warenabgaben anlässlich von Preisausschreiben, Verlosungen, usw. zu Werbezwecken. Ausgenommen von der Besteuerung werden lediglich Geschenke von geringem Wert oder die Abgabe von Warenmustern."
Traurige karitative Vereine?
Der Ausschussbericht informiert auch über den Grund der überraschenden Gesetzesergänzung: "Die Regelung entspricht Artikel 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie und dient der Vermeidung eines umsatzsteuerlich unbelasteten Letztverbrauchs". Die Brüsseler Entdeckung dieses Umstands ist insofern bemerkenswert, als es derlei unbelasteten Letztverbrauch schon seit Eva's Apfel für Adam gibt und vor allem durch Leute wie Rothschild, Medici, Fugger und Welser geradezu meisterhaft optimiert wurde. Sei's drum: Die Erinnerung an die neue Rechtslage kommt gerade jetzt rechtzeitig, da viele Unternehmen ihre Weihnachtsgaben an Geschäftsfreunde und ihre Sachgeschenke an karitative Vereine ausdenken.
Wann Steuerpflicht gilt
Der neue gesetzliche Tatbestand lässt sich in den folgenden fünf Abschnitten zusammenfassen:
1.Unter Werbegeschenken sind Sachgeschenke zu verstehen, die zu Werbe- oder Repräsentationszwecken an Dritte (Unternehmer oder Nichtunternehmer) ausgegeben werden. Das Gesetz geht davon aus, dass derlei Geschenke für den Empfänger einen bestimmten (auch kurzfristigen) Gebrauchswert haben. Das gilt auch für Sachgeschenke an Vereine.
2.Die Umsatzsteuerpflicht kommt allerdings nur dann in Frage, wenn das schenkende Unternehmen von diesen Geschenken selbst Vorsteuern abziehen konnte. Für umsatzsteuerbefreite Unternehmen (z.B. teilweise Banken, Kleinunternehmer, bestimmte Freiberufler, usw.) kommt die Umsatzsteuerpflicht für Werbegeschenke daher nicht in Frage.
Warenmuster steuerfrei
3.Muss ein Werbegeschenk als umsatzsteuerpflichtig behandelt werden, dann berechnet sich die USt vom Einkaufs- oder Herstellungswert des Geschenkes. Umsatzsteuerpflichtig ist das geschenkgebende Unternehmen. Die USt-Pflicht entsteht im Monat der Ausgabe, die Fälligkeit zum folgenden üblichen USt-Termin. Da die Frage, ob ein Geschenk tatsächlich ust-pflichtig ist oder nicht, oft erst am Jahresende (im Zuge der Jahresabschlusserstellung) endgültig geklärt werden kann, wird die Steuerpflicht häufig erst in der Jahressteuererklärung dargestellt werden können.
4.Nicht umsatzsteuerpflichtig sind Warenmuster, Probepackungen, Kostproben, Verkaufskataloge, Werbeprospekte, Veranstaltungskalender, ferner Reiseleistungen an Kunden, die Bewirtung von Geschäftsfreunden und die Sachzuwendungen an das Personal.
5.Es gibt auch eine Geringfügigkeitsgrenze, die freilich nicht im Gesetz steht, sondern hilfsweise aus Deutschland abgekupfert wird: 40 Euro pro Empfänger und Jahr, bezogen auf die Netto-Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Geschenks. Ob dieses Limit jeweils pro Geschenk gilt bzw. ob alle Geschenke an die selbe Person während eines Jahres zusammenzurechnen sind, ist derzeit ebenso fraglich, wie vieles andere auch bei der neuen USt-Pflicht der Werbegeschenke. Deshalb ist eine Empfehlung bemerkenswert, die von den großen heimischen USt-Kommentatoren zwar an die Banken gerichtet wird, die aber wohl gleichermaßen auch für alle anderen Unternehmen gilt: "Zweckmäßig wäre es, wenn man für die Geschenke von vornherein keinen Vorsteuerabzug geltend macht und in der Folge gar keine Geschenkbesteuerung vornimmt". Auch so kann man mit EU-Regeln leben.