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Fischer riet: Mit Kritik muss man sich ernsthaft auseinander setzen. | Rot-Schwarze Regierung ist jünger als Schwarz-Orange. | Wien. Pünktlich um 11 Uhr führte Alfred Gusenbauer sein Regierungsteam vom Bundeskanzleramt, wo man sich zusammengefunden und den Koalitionspakt unterzeichnet hatte, über den Ballhausplatz in die Hofburg. Die Regierungsmannschaft war - wie üblich bei solchen Gelegenheiten - umringt von Kamerateams, Fotografen und Journalisten. So bekam der neue Regierungschef nur wenig mit von den Demonstranten. Denn die Polizei hatte vorsorglich den Ballhausplatz großräumig gesperrt und nur den angrenzenden Heldenplatz den Demonstranten überlassen.
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Gusenbauer merkte man keine Verärgerung über die Störung einer seiner schönsten Stunden an. Er wirkte freudig, entspannt und gelassen.
Bundespräsident Heinz Fischer empfing die acht Frauen und zwölf Männer in seiner gewohnt freundlichen, ruhigen Art. Vor der Angelobung drückte der Bundespräsident seine Freude darüber aus, dass der SPÖ-Vorsitzende den Auftrag zur Bildung einer stabilen Regierung erfüllen konnte. Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch Fischer erwiderte der frisch gebackene Bundeskanzler laut und kräftig: "Ich gelobe." "Ich darf Sie nun zum ersten Mal Herr Bundeskanzler nennen", sagte Fischer schmunzelnd.
Im Anschluss folgte auf Vorschlag des Bundeskanzlers die Angelobung der restlichen Regierung, wenngleich noch nicht in ihrer tatsächlichen Funktion, da noch die alte Ressortaufteilung gilt und eine neue erst beschlossen werden muss. "Sie werden vom ersten Tag an Lob und Kritik für Ihre Regierungstätigkeit bekommen. Das ist so in einer Demokratie. Lob darf Sie nicht übermütig machen und mit Kritik muss man sich sachlich und ernsthaft auseinander setzen. Man darf aber langfristige Ziele nicht aus dem Auge verlieren", gab der Bundespräsident dem neuen Kanzler mit auf den Weg.
Nach der Unterzeichnung der sogenannten Bestallungsurkunden bat Fischer noch zu einem Sektempfang in das Jagdzimmer. Danach begann für die Regierungsmitglieder die Arbeit. Im Bundeskanzleramt hielten sie ihren ersten Ministerrat. Anschließend erfolgte die Amtsübergabe in den diversen Ministerien.
Alt-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hielt sich an diesem Tag im Hintergrund. Er übergab sein Zimmer, allerdings mit anderen Möbeln, an seinen Nachfolger Gusenbauer. Vor Schüssel residierten die SPÖ-Bundeskanzler auf der anderen Seite des Kanzleramtes, Schüssel hatte sich jenen Teil ausgesucht, der zum Volksgarten schaut und viel heller ist. Gusenbauer bleibt bei dieser Aufteilung.
Am Nachmittag begrüßte Gusenbauer die Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes, denen er sich als "Teamspieler, als Teamkapitän" präsentierte.
In der neuen Regierung stellt die SPÖ den Bundeskanzler, sechs Minister und drei Staatssekretäre, die ÖVP hat sieben Minister und drei Staatssekretäre. Der Altersdurchschnitt liegt bei 47,5 Jahren. Wobei die SPÖ mit einem Durchschnitt von 46,9 Jahren ein jüngeres Team bildet als die ÖVP mit einem Durchschnitt von 48,1 Jahren. Fünf ÖVP-Regierungsmitglieder gehörten bereits dem alten Kabinett an. Das mit Abstand erfahrenste Regierungsmitglied kommt ebenfalls aus der ÖVP: Für Wirtschaftsminister Martin Bartenstein war das bereits die sechste Angelobung unter seinem vierten Bundeskanzler.