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Spürbare Annäherung im Atomstreit bedeutet nicht zwangsläufig einen Rahmen-Deal bis Ende März.
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Montreux/Wien. Lob, Kritik, Spott und Hohn erntete Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch nach seiner umstrittenen Rede vor dem US-Kongress.
Lob kam von den US-Republikanern, Kritik vom US-Präsidenten Barack Obama, der alternative Vorschläge Netanjahus im Atomstreit vermisste. Spott und Hohn kam erwartungsgemäß aus Teheran. Während das Außenamt die Rede als "langweilig" wertete, erheiterte Irans mächtiger Parlamentspräsident Ali Larijani, der auch Atomberater vom Obersten Geistlichen Führer Ali Khamenei ist, mit seinem Netanjahu-Kommentar das Parlament (Majles). "Die Rede von Netanjahu war lächerlich. Genauso die Warnungen, besonders da sie von jemandem kommen, dessen Land selbst Atomwaffen besitzt", so der Ex- Atomunterhändler. "Das erinnert einen an jene Anekdote, wo eine Hure neu in die Stadt kommt und, um sich fromm zu zeigen, ihren Rock über den Kopf zieht, damit die Haare vor fremden Männern verborgen werden", ergänzte Larijani.
Mit Wohlwollen wird der Iran wohl auch zur Kenntnis genommen haben, dass der Besuch Netanjahus die ohnehin angespannten Beziehungen zur Obama-Administration weiter strapaziert hat. Abseits des medialen Echos der Rede des israelischen Premiers wurden im Schweizer Montreux die Atomverhandlungen zwischen den USA und dem Iran auf Ebene der Außenminister (John Kerry und Mohammad Javad Zarif) fortgesetzt.
Nach Angaben des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier wurden in den vergangenen Tagen Fortschritte erreicht. "So weit wie in diesem Jahr waren wir in zehn Jahren der Verhandlungen noch nie", meinte der Diplomat. Die Gespräche seien "auf gutem Wege".
Diesen vorsichtigen Optimismus teilen auch einige reformorientierte Kräfte im Iran. Sie glauben, dass Hindernisse wie die Zentrifugenanzahl, der Zeitplan für die Sanktionssuspendierungen und die Gültigkeitsdauer doch noch beiseite geräumt werden können. Ein iranischer Diplomat, der nicht beim Namen genannt werden will, bringt die Spekulationen über den Inhalt der Gespräche auf den Punkt: "Schauen Sie, die technischen Details wie die Zentrifugenfrage sind alle lösbar. Auch der Entwurf für einen vorläufigen politischen Konsens liegt quasi in der Schublade. Wichtigster Parameter ist der politische Wille, den müssen wir noch auf beiden Seiten forcieren", unterstreicht er. Die Hardliner in Teheran warnen indessen vor zu viel Euphorie. "Freut euch nicht zu früh. Einen Deal gibt es erst dann, wenn alles unterschrieben ist und so weit sind wir noch lange nicht", schreibt einer von ihnen in einem Kommentar.
Prestigeprojekt
Das Atomprogramm ist das Prestigeprojekt des iranischen Präsidenten Hassan Rohani. Er will den Konflikt nach zwölf Jahren lösen, um sich dann innenpolitischen Themen wie einer Bürgerrechtscharta widmen zu können. Gibt es keinen Deal, dann würde sich die wirtschaftliche Situation wegen der Beibehaltung der Sanktionen verschärfen. Dies wiederum wäre ein Nährboden für soziale Revolten und eine Gefahr für das System der Islamischen Republik. Rohanis Öffnungspolitik gegenüber dem Westen wäre im Nu zum Scheitern verurteilt und Khamenei würde sich von ihm abwenden. Jedenfalls wird die Zeit für eine Lösung knapp. Nach mehreren geplatzten Fristen soll es bis 31. März eine grundsätzliche Einigung geben, bis 30. Juni eine endgültige Lösung. Sowohl die USA als auch der Iran haben signalisiert, keine weitere Verlängerung der Gespräche anzustreben.
Parallel zu den Verhandlungen in Montreux, die am heutigen Donnerstag auf Ebene der 5+1-Gruppe (fünf UN-Vetomächte plus Deutschland) und Iran weitergeführt werden, tagt seit Montag in Wien der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO). Dessen Chef, Yukiya Amano, hat von Teheran mehr Zusammenarbeit verlangt und eine Beantwortung offener Fragen (siehe Kasten).
Eines ist gewiss: Bis Ende März wird im Konflikt rund um die umstrittene iranische Urananreicherung noch sehr intensiv weiterverhandelt. Nach den derzeit laufenden Gesprächen in Genf wollen sich sowohl die technischen als auch die politischen und wirtschaftlichen Experten rasch wiedertreffen, um eine Lösung voranzutreiben. Für die Perser hat hierbei ein Ende der schmerzhaften Wirtschaftssanktionen wie etwa das Öl- und Gasembargo der EU gegen Teheran oberste Priorität.
Den USA wiederum ist es wichtig, dass Teheran seine nuklearen Ambitionen möglichst lange herunterschraubt.
Streitpunkte
(af) Laut neuestem Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO) hat Teheran nur drei von fünf Schritten umgesetzt, die im Mai 2014 vereinbart und bis 25. August 2014 verwirklicht werden sollen.
1. Teheran lieferte vereinbarungsgemäß Informationen über Forschungszentren.
2. Der Golfstaat gewährte technische Besuche dort und ermöglichte Zutritt zu Produktionsstätten von Anreicherungszentrifugen.
3. Die Islamische Republik klärte die Frage der Überwachung des umstrittenen Schwerwasserreaktors in Arak.Bisher unerfüllte Punkte:
4. Ein Informationsaustausch über eine angebliche Durchführung von Experimenten mit Hochexplosiv-Stoffen fehlt.
5. Der Gottesstaat hat auch keine Informationen über Modellrechnungen für Atomexplosionen geliefert.
Die IAEA will vom Iran Antworten auf diese offenen Fragen bezüglich einer möglichen militärischen Dimension des Nuklearprogramms.
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