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Friedensnobelpreis geht "back to the roots"

Von Michael Schmölzer

Politik

Organisation für das Verbot von Chemiewaffen geehrt - gefährlicher Einsatz in Syrien.


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Wien. Die Geehrten waren zunächst gar nicht erreichbar. "Nehmen Sie Kontakt zu uns auf, wir versuchen, zu Ihrem Büro durchzukommen", appellierte das Nobelpreis-Komitee per Twitter an die OPCW, doch das war leichter gesagt als getan. Aufgrund der zahllosen Glückwünsche aus aller Welt waren sämtliche Telefone der Giftgas-Inspekteure dauerbesetzt, die Gratulanten aus Oslo mussten sich gedulden.

Die Entscheidung ist den Juroren aus dem hohen Norden diesmal offenbar leicht gefallen: "Entwaffnung spielt in Alfred Nobels Willen eine wichtige Rolle", wusste der Komiteevorsitzende Thorbjörn Jagland, man wolle nun zur Vernichtung der Chemiewaffen in Syrien beitragen. Beobachter stellten fest: Nachdem zuletzt die EU und US-Präsident Barack Obama den Nobelpreis erhalten haben - was nicht unkritisiert blieb -, nähert man sich nun der ursprünglichen Intention Alfred Nobels an: Der hielt die für prämierungswürdig, die für die "Abschaffung oder Verminderung stehender Heere" sorgten.

Tödliche Mission

Die OPCW ist zweifellos stärker auf das Preisgeld (rund 900.000 Euro) angewiesen als der US-Präsident oder die EU, Letztere denkt längst nur noch in Milliarden-Kategorien. Der Einsatz in Syrien ist teuer - und vor allem äußerst gefährlich. In Assads Arsenalen lagern einige der effektivsten Gift-Kampfstoffe der Welt, schon eine stecknadelkopfgroße Menge des Nervengases Sarin kann in wenigen Minuten zum Atemstillstand führen. In Syrien lagern mehr als 1000 Tonnen Giftgas. Seit Ende September sind OPCW-Experten im Land, um die Depots aufzustöbern und unschädlich zu machen; erste Bestände wurde schon entschärft. Eine Vorhut befindet sich in Damaskus, die Mission soll 100 Mann umfassen, das Ziel schon Mitte des kommenden Jahres erreicht sein.

Die enorme moralische Unterstützung können die Giftgas-Experten ebenfalls gut brauchen. Es handelt sich um einen Einsatz, "der so noch nie zuvor durchgeführt worden ist", wie UN-Generalsekretär Ban Ki-moon betont. Die Rahmenbedingungen sind gefährlich und unberechenbar, denn die Chemiewaffen müssen erstmals in der Geschichte direkt in einem Kriegsgebiet vernichtet werden. Es gilt, Angriffe auf die Transporte und Anschläge auf die technischen Anlagen zu verhindern. Und: UN-Inspektoren, die im August einen Giftgas-Angriff mit 1400 Toten untersuchen wollten, sind bereits zum Ziel von Scharfschützen geworden.

Die Liste der Waffenarsenale, die von den syrischen Behörden ausgehändigt wurde, ist lang. 50 sensible Orte - Depots und Produktionsstätten - soll es geben. Manche liegen in umkämpftem Gebiet, manche in von Rebellen kontrollierten Gegenden.

Wie die Giftgas-Inspekteure die schwierige Aufgabe bewältigen wollen, ist nicht in allen Details offengelegt. Zunächst geht es darum, die Giftgas-Depots aufzufinden und zu sichern. Die syrischen Behörden haben Listen übermittelt, nun muss überprüft werden, ob diese stimmen und vollständig sind. Bis zum 1. November 2013 sollen alle Produktionsstätten zerstört sein, dann erfolgt die Vernichtung der Depots. Wenn die verschiedenen chemischen Komponenten noch nicht zusammengemischt sind, geht das relativ einfach. In der Regel wird das Giftgas erst kurz vor dem Einsatz "kampffähig gemacht", erklärt Oberst Otto Strele, ABC-Abwehrexperte des österreichischen Bundesheeres.

Unter Umständen müssen die Bestände aber in eigens dafür gebauten Anlagen verbrannt und die Reste dann entsorgt werden. Möglich ist das auch in mobilen Anlagen. Angesichts der großen in Syrien lagernden Mengen müsste eine eigene Anlage gebaut werden - ein enormer Aufwand. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass die syrischen Giftgas-Bestände gar nicht völlig zerstört, sondern nur unbenutzbar gemacht werden. Oder die Chemiewaffen werden außer Landes gebracht, was von manchen als Option gehandelt, von anderen als zu aufwendig verworfen wird.

Bereits in Granaten abgefüllte Kampfstoffe stellen die größte Herausforderung dar, wie Oberst Strele anlässlich einer Veranstaltung in der Stiftskaserne erklärte. Diese Prozedur sei extrem kompliziert und zeitraubend. Die Granaten können, so eine bewährte Methode, in einen explosionssicheren Ofen gepackt und dort verbrannt werden.

Der Giftgas-Angriff vom 21. August in der Nähe von Damaskus hat weltweit für Entsetzen gesorgt. Bilder und Videos von sterbenden Kindern und Frauen sorgten für wütende Reaktionen. Für US-Präsident Barack Obama ist die Schuld Bashar al-Assads so gut wie erwiesen, er stellte einen Militärschlag in Aussicht, einigte sich dann mit Russland aber auf die Zerstörung des Chemiewaffen-Arsenals.

Die Verleihung des Nobelpreises an die Chemiewaffen-Vernichter wurde international begrüßt, nur Russland übte Kritik: Die Ehrung sei zu "einem Vorschuss verkommen", heißt es hier. "Zuerst an Obama für schöne Reden, aber nicht für Taten, und nun für die OPCW, die ihre Arbeit in Syrien erst begonnen hat", twittert der einflussreiche Außenpolitiker Alexej Puschkow.

Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) mit Hauptsitz in Den Haag ist verantwortlich für die Umsetzung der Chemiewaffenkonvention aus dem Jahre 1997. Sie ist eine unabhängige Organisation, die eng mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet. 189 Staaten sind der Konvention bisher beigetreten. Syrien soll am 14. Oktober dazukommen.
Die OPCW soll die von den Vertragsstaaten angegebenen C-Waffenbestände und Produktionsanlagen überprüfen und die Vernichtung der Bestände kontrollieren. Sie leistet Staaten bei der Vernichtung der Waffen auch technische Hilfe.
Bei Verdacht auf den Einsatz von Chemiewaffen kann die OPCW auch Inspekteure in Chemiewerke schicken, um zu kontrollieren, ob Chemikalien tatsächlich nur für zivile Zwecke verwendet werden.
Seit 1997 wurden mehr als 5000 Inspektionen in 86 Ländern abgeschlossen. Dabei wurden nach Angaben der OPCW rund 58.000 Tonnen der von den Staaten deklarierten Waffenarsenale vernichtet, das sind etwa 80 Prozent der bekannten Bestände.
Das Sekretariat in Den Haag mit rund 490 Mitarbeitern, darunter etwa 200 Inspekteuren, wird seit 2010 von dem türkischen Diplomaten Ahmet Üzümcü geleitet. Höchstes Organ der OPCW ist die jährlich stattfindende Vollversammlung der Vertragsstaaten. Leitungsorgan ist der Exekutivausschuss mit 41 Mitgliedern.