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Friedensprozess auf dem Prüfstand

Von Sigrun Saunderson

Politik

Nach der Suspendierung der Regierung im letzten Herbst und einer Phase der Direktverwaltung durch Großbritannien wählt Nordirland heute wieder seine eigene lokale Regierung. Noch immer geht es um die zentrale Frage: Bleibt Nordirland weiterhin britisch oder bewegt sich die Provinz auf eine Einheit mit Irland zu?


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Der nordirische Wähler stimmt nicht für jene Partei, die ihm die meisten Arbeitsplätze oder Steuersenkungen verspricht. Der Nordire wählt republikanisch oder unionistisch, nationalistisch oder loyalistisch, oder - auf den Punkt gebracht: katholisch oder protestantisch.

Allerdings hat der Spionageskandal rund um Sinn Fein, der vor einem Jahr zur vorläufigen Regierungsauflösung geführt hatte, dem diesjährigen Wahlkampf ein Detail hinzugefügt, das wohl über den Ausgang der heutigen Wahlen entscheiden wird: Den Streit um das Karfreitagsabkommen 1998. Stellen die einen - vor allem Katholiken - diesen Vertrag, der eine Koalition aller Parteien vorschreibt, als den einzigen fairen Weg zum Frieden dar, so nennen ihn seine Gegner - vor allem Protestanten - einen schlecht getarnten Schritt in Richtung vereintes Irland und damit einen Betrug an den protestantischen Unionisten.

Spaltung der Unionisten

Diese Frage hat David Trimbles Partei, die Ulster Unionist Party, irreparabel gespalten. Trimble hatte in den letzten Jahren den Nationalisten gegenüber immer wieder Zugeständnisse gemacht und nachgegeben und dadurch massiv an Glaubwürdigkeit unter seinen Wählern verloren.

Während die Trimble-Anhänger trotz der fortwährenden Schwierigkeiten weiterhin die Politik des gegenseitigen Vertrauens und der Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Protestanten verfolgen, wollen die Hardliner ordentlich durchgreifen und die IRA-nahe Partei Sinn Fein aus der Regierung ausgeschlossen sehen, bis die IRA sämtlichen Terroraktivitäten offiziell entsagt.

Verhärtung der Fronten?

Diese Spaltung der bisher stärksten Partei der Provinz hat die extrem-unionistische Democratic Unionist Party (DUP) unter Ian Paisley zum großen Favoriten der Wahlen gemacht. Die Befürchtungen wachsen, dass sich - wie in der letzten Regierung - die jeweils gemäßigtere, kompromissbereite Partei auf beiden Seiten, sondern die extrem-unionistische DUP in Stormont und die extrem-republikanische Sinn Fein als mächtigste Parteien mit unversöhnlichem Gesichtsausdruck gegenübersitzen.

Hält Ian Paisley, was er vor den Wahlen versprach, so wird eine solche Konstellation schon am ersten Tag in der Sackgasse enden, da die DUP sich weigert, mit den "Repräsentanten von Terroristen" zu verhandeln. Die DUP kündigte ihrer Wählerschaft eine neue Aushandlung des Karfreitagabkommens an, um erstens Sinn Fein umgehend aus der Koalitionsregierung auszuschließen und zweitens die Harmonisierung zwischen Nordirland und der Republik Irland rückgängig zu machen und die Provinz wieder ganz auf britischen Kurs zu bringen.