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NATO-Kapazitäten bereits stark ausgelastet. | Mission unter EU-Kommando als mögliche Alternative. | Brüssel. (ap) Zwei Wochen nach Beginn der israelischen Libanon-Offensive herrscht bei aller Ratlosigkeit in einem Punkt Übereinstimmung: Eine internationale Friedenstruppe muss her. Für die Aufstellung einer solchen kämen grundsätzlich drei Organisationen in Frage: die Vereinten Nationen, die NATO oder die Europäische Union.
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Die UNO hat bereits seit 1978 Militärbeobachter im Südlibanon stationiert - diese UNIFIL-Mission hat sich aber als so machtlos erwiesen, dass selbst der Einsatz einer UNO-Truppe mit robustem Mandat in der Region schwer zu vermitteln sein dürfte.
Der israelische Vizepremier Shimon Peres machte bereits deutlich, Israel werde nur eine Friedenstruppe akzeptieren, die sich gegen die libanesische Hisbollah-Miliz durchsetzen könne.
Vor ihm hatte sich Verteidigungsminister Amir Peretz für eine NATO-Truppe ausgesprochen. Das Problem: Die NATO hat bereits tausende Soldaten in Afghanistan, im Kosovo und in Bosnien im Einsatz. Washington hat eine Beteiligung an einer Friedenstruppe im Libanon denn auch bereits ausgeschlossen. In Deutschland warnte der Zentralrat der Juden davor, Bundeswehrsoldaten an die Nordgrenze Israels zu entsenden: Was wäre, wenn Israel erneut gegen die Hisbollah vorginge und deutsche Soldaten dagegen einschreiten müssten, fragte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer. Er wisse nicht, wie die in Israel lebenden Holocaust-Überlebenden es finden würden, wenn nun deutsche Truppen gegen einen sein Land verteidigenden israelischen Soldaten vorgehen müssten.
10.000 Soldaten wären erforderlich
Für die NATO dürfte es vor diesem Hintergrund schwierig werden, eine schlagkräftige Truppe zusammenzubekommen, ist aus dem Brüsseler Hauptquartier der Allianz zu hören. 10.000 Soldaten wären nach inoffiziellen Schätzungen von NATO-Beamten erforderlich, um einen Waffenstillstand zwischen Israel und dem Libanon abzusichern.
Der französische Staatspräsident Jacques Chirac machte darüber hinaus grundsätzliche Bedenken gegen einen NATO-Einsatz im Libanon geltend. Das nordatlantische Verteidigungsbündnis werde in der Region als bewaffneter Arm des Westens gesehen, wurde Chirac von der Zeitung "Le Monde" zitiert.
Eine mögliche Alternative wäre eine Mission unter EU-Kommando. Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Javier Solana, bastele bereits an einem Vorschlag für eine Truppe aus Soldaten der EU, der Türkei und verschiedenen arabischen Staaten, verlautete aus Diplomatenkreisen in Brüssel. Türkische Soldaten wären in den Augen vieler Beobachter besonders geeignet, einen Waffenstillstand im Nahen Osten zu überwachen. Die Türkei unterhält enge Beziehungen sowohl zur arabischen Welt als auch zu Israel. Nicht zuletzt genießt sie als NATO-Mitglied das Vertrauen des Westens und hat sich bereits an diversen internationalen Friedensmissionen beteiligt. Ein Mitarbeiter des türkischen Außenministeriums erklärte, Ankara würde eine substanzielle Beteiligung an einer Nahost-Friedenstruppe durchaus in Erwägung ziehen. Voraussetzung sei allerdings ein starkes UNO-Mandat, das Aufgaben und Befugnisse der Truppe klar definiere.
Problem der irregulären Kämpfer
Bisher sind diese keineswegs eindeutig festgelegt. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Einrichtung einer Pufferzone vorgeschlagen, die die internationale Truppe überwachen müsste. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass irreguläre Kämpfer wie die Hisbollah-Miliz für Friedenstruppen ein schwieriger Gegner sind: In Afghanistan etwa kommen immer wieder Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF bei Anschlägen ums Leben. Und die NATO-Stabilisierungstruppe KFOR im vergleichsweise friedlichen Kosovo versagte im März 2004 just in dem Moment, als es dann zu heftigen Unruhen kam.