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Ugandische Rebellengruppe für Angriffe verantwortlich gemacht.
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Kinshasa. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo sind bei einem Massaker in einem Dorf mindestens 40 Zivilisten getötet worden. Bis zum Morgen seien mehr als 40 Leichen aus den Latrinen des Dorfes Kamango geborgen worden, sagte der Präsident des Zusammenschlusses der Zivilgesellschaft des Gebiets von Beni am Donnerstag.
Mitarbeiter der Polizei und des Roten Kreuzes würden nach weiteren Opfern suchen. Der Zusammenschluss der Zivilgesellschaft machte die ugandische Rebellengruppe Alliierte Demokratische Kräfte - Nationale Armee für die Befreiung Ugandas (ADF-NALU) für den Angriff verantwortlich. Die islamistische Gruppierung steht seit 2001 auf der US-Terrorliste. Bereits am 13. und 14. Dezember hatte die UN-Mission erklärt, dass bei Massakern in zwei Dörfern der Provinz Nord-Kivu mindestens 21 Menschen "mit großer Brutalität" getötet worden seien. Die Armee hatte kürzlich mithilfe der UN-Friedenstruppe die Rebellengruppe M23 besiegt, doch bleiben noch zahlreiche weitere Guerillabewegungen in der Region aktiv. Ein Bericht des Verteidigungsministeriums geht von bis zu 50 Rebellengruppen im Dschungel aus. Das an Bodenschätzen reiche Länderdreieck mit Uganda und Ruanda ist seit gut 20 Jahren Hauptschauplatz der nicht endenwollenden Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo.
M23-Rebellen unterzeichnen Abkommen mit dem Kongo
Um guten Willen zu zeigen, wurde etwa Mitte Dezember zähneknirschend, am Rande der Unabhängigkeitsfeier in Kenias Hauptstadt Nairobi, von der kongolesischen Regierung und den Vertretern der M23 Dokumente unterzeichnet, die endlich Weichen für den Frieden im Ostkongo herstellen sollen. Niemand der Unterzeichner wollte die Dokumente "Friedensvertrag" nennen. Denn letztlich unterschrieben alle Konfliktparteien ihr eigenes Dokument: Kongos Außenminister Raymond Tschibanda sicherte ein Demobilisierungs- und Integrationsprogramm für entwaffnete Rebellen und die wirtschaftliche Entwicklung des Ostens des Landes zu. Bertrand Bisimwa, politischer Präsident der M23 (Bewegung des 23. März), versprach durch seine Unterschrift auf dem anderen Dokument, dass seine Kämpfer nie wieder zur Waffe greifen und sich in ein Demobilisierungsprogramm einfügen würden. Die M23, bei denen es sich vorwiegend um Angehörige der Volksgruppe der Tutsi handelt, werde zu einer politischen Partei umformiert.
Eineinhalb Jahre lang hatten sich Kongos Armee und die M23 im Ostkongo entlang der Grenze zu Ruanda und Uganda Gefechte geliefert. Zu Beginn war es der M23 gelungen, einen Landstrich zu erobern, einen Staat im Staat aufzubauen, Steuern zu erheben. Im November 2012 hatte sie die Millionenmetropole Goma erobert und hielt sie elf Tage lang besetzt. Die Regierung war so gut wie geschlagen. Das zwang Präsident Joseph Kabila damals an den Verhandlungstisch in Kampala. Doch im Juli 2013 wendete sich das Blatt: Die UN-Mission im Kongo stationierte eine aktive Eingreiftruppe, die auf Seite der Armee gegen die M23 vorgehen durfte. Gemeinsam gelang es, die M23 zurückzudrängen, bis sie sich Anfang November schließlich geschlagen nach Uganda absetzte.
Kinshasa: Angst vor Erfolg der anderen Miliztruppen
Die Unterschriften unter das Dokument kamen dann aber doch überraschend, gerade dann, als niemand mehr damit rechnete. Die Verhandlungen waren im November für gescheitert erklärt worden. Die Regierung sah es nicht mehr als notwendig, ein Abkommen mit geschlagenen Rebellen zu schließen. Ihre Vertreter verweigerten die Unterschrift unter den fertig ausgehandelten Text, weil sie ihn nicht als "Abkommen" bezeichnet haben wollten. In Kinshasa befürchtet man, dass auch andere Milizen die Regierung an den Verhandlungstisch zwingen könnten.
Im Ostkongo tummeln sich neben den ugandischen Milizen ADF-NALU auch ruandische und burundische Milizen. Gegen diese ausländischen Kämpfer will die UN-Eingreiftruppe jetzt vorgehen.
Zunächst begannen UN-Eingreiftruppen, die Straße zwischen der Provinzhauptstadt Goma und der 150 Kilometer entfernten Stadt Pinga in der Region Kivu zu "säubern", um Nachschubwege zu sichern, damit in Pinga UN-Truppen stationiert werden können.
Seit Jahren tummeln sich auf dieser Landstraße unzählige Milizen, die Lastwagenfahrern Wegzoll abknöpfen. Eine davon ist die FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Sie unterhielt dort bis jetzt Straßensperren und kontrollierte auch die Hügel rechts und links der Piste.
Die FDLR zu zerschlagen ist keine leichte Aufgabe für die 3000 Mann starke UN-Eingreifbrigade. Anders als früher und anders als zuletzt die M23, kontrollieren die geschätzt 1200 FDLR-Kämpfer kein zusammenhängendes Gebiet mehr, das umzingelt werden könnte. Im Gegenteil: Die FDLR besetzt kleine Flickenteppiche in unwegsamem Gelände.
Nach vielen Jahren im Busch sind diese ruandischen Hutu-Milizionäre mobil, kennen jeden Trampelpfad und bewegen sich mit ihren Kindern und Frauen.
In der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu beherrscht die FDLR drei Gebiete. Kampftruppen sind im Nyanzale-Wald und im Virunga-Nationalpark stationiert, entlang der ehemaligen Front zur M23 weiter östlich. Dies ist das Gebiet, auf dem die UN-Truppen jetzt aktiv sind.
Um die Miliz zu zerschlagen, müssten die UN-Truppen die Militärführung töten oder zum Aufgeben zwingen. Die UN-Mission kennt die GPS-Koordinaten des FDLR-Militärchefs Mudacumura. Sie könnte mit ihren neuen Aufklärungsdrohnen das Hauptquartier auskundschaften und mit Kampfhubschraubern zerstören.
Doch könnten die Kommandanten fliehen - wie schon öfter. Die FDLR, hervorgegangen aus der Armee, die 1994 in Ruanda den Völkermord an den Tutsi verübte und dann in den Kongo floh, verfügt über gute Kontakte in der UNO und Kongos Armee. Sie war bei vergangenen Militäroperationen stets vorgewarnt.
Bei der letzten Großoffensive gegen die FDLR, die 2009 Kongos und Ruandas Armeen gemeinsam führten, erließ die FDLR-Militärführung zudem einen Befehl an ihre Truppen, eine "humanitäre Katastrophe" an der Zivilbevölkerung zu verursachen.
Ähnliche Drohungen spricht die FDLR jetzt wieder aus. Übergangspräsident Victor Byiringiro, alias Gaston Iyamuremye, warnte, Angriffe auf die FDLR würden "zerstörerische Folgen" haben und "die ruandischen Völker zwingen, ihre diversen Konflikte ein für alle Mal zu lösen" - blumige Worte, die indirekt mit Völkermord drohen.