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Frieder Burda

Von Oliver Bentz

Reflexionen

Der deutsche Kunstsammler und Museumsgründer Frieder Burda über seine Bilder, seine Begegnung mit Künstlern und seine Ausstellungen.


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Wiener Zeitung:Herr Burda, was bedeutet für Sie die Beschäftigung mit Kunst und das Sammeln von Kunstwerken? Frieder Burda: Das Sammeln ist - wie so vieles im Leben - im Grunde nicht erklärbar. Zunächst einmal ist es eine Leidenschaft. Jede Leidenschaft gibt Befriedigung und fordert zudem heraus. Ich erfreue mich an Bildern und verstehe etwas davon. Ich sehe gern schöne Kunstwerke - leidenschaftlich gern.

Sie sind in einer kunstsinnigen Familie aufgewachsen. Schon Ihr Vater hatte ja eine bedeutende Kunstsammlung.

Mein Vater, der übrigens in den frühen 1920er Jahren in Wien studierte, schon mit 23 Jahren promovierte, später dann mit Bruno Kreisky befreundet war, die Salzburger Festspiele liebte und ihnen nicht wenige Stiftungen zukommen ließ, war kein Kunstsammler im heutigen Sinne. Er war jemand, der die Farbe liebte. Er kam ja ursprünglich aus dem Druckgeschäft, hatte schon als Mittzwanziger eine kleine Druckerei aufgebaut. Für ihn war die Farbe das Wichtigste in seinem Leben. Aus diesem Antrieb heraus kaufte er Bilder, am liebsten Gemälde des deutschen Expressionismus, von Kirchner und Macke. Mein Vater kaufte eigentlich alles, was ihm gefiel. In diesem Milieu bin ich aufgewachsen, sodass ich eigentlich immer von Bildern umgeben war.

Können Sie schildern, wie es mit Ihrer Sammelleidenschaft anfing?

1968 habe ich auf der Documenta in Kassel ein Bild von Lucio Fontana gesehen: rot mit drei Schlitzen, minimalistisch, gar nicht passend in das Schema meines Elternhauses, wo man Kirchner, Macke oder Beckmann liebte. Das Bild hat mich fasziniert, ich wusste damals gar nicht, wer Fontana war, aber ich wollte das Bild unbedingt haben und konnte es von einer Schweizer Galerie erwerben. Für 3500 D-Mark, was damals sehr viel Geld war. Ich musste übrigens lange bei meinem Vater betteln, bis ich das Geld bekam. Ich wollte mit diesem Kauf wohl auch zeigen, dass ich meinen eigenen Weg gehe und mich vom Elternhaus emanzipiere. Ich hoffte insgeheim sogar, dass mein Vater das missbilligt - aber das Gegenteil war der Fall. Das war der Beginn meiner eignen Sammelleidenschaft.

Nach welchen Kriterien sammeln Sie Ihre Bilder?

Eine Sammlung beginnt ja immer damit, dass man von etwas fasziniert ist - in meinem Fall waren es eben Bilder, waren es die Künstler. Ich bin Autodidakt, habe nicht Kunstgeschichte studiert, aber mein ganzes Leben war und ist eigentlich Kunstgeschichte. Ich lese fast nur kunstbezogene Literatur. Eine Sammlung beginnt dann unbewusst. Unbemerkt kauft man, was einem gefällt. Der angehende Sammler geht auf alle Messen, schaut in Galerien und Ausstellungen - und ehe er es richtig begreift, ist eines Tages eine große Sammlung da. Später fängt er an zu ordnen, sondert einige Bilder aus, die er für doch nicht so wichtig hält.

Ihnen ist ja nicht nur das Sammeln von Kunst wichtig, sondern auch der Kontakt mit den Künstlern. Warum?

Ich finde, wenn man von einem Künstler mehrere Bilder erwirbt, oder sogar ganze Werkgruppen, wie ich solche von Gerhard Richter oder Sigmar Polke, dann ist es wichtig, den Künstler zu kennen. Ich will wissen, was er macht, wie er lebt, was seine innersten Gedanken sind. So kommt es zur Bekanntschaft und - wie bei mir - in vielen Fällen zu Freundschaft mit den Künstlern, wie mit Richter, mit Baselitz oder Polke. Ich begreife dann auch die Bilder viel besser.

Was haben Künstler, was wir "Nicht-Künstler" nicht haben?

Gute Frage! Nun, Künstler haben zunächst einmal eine ungeheuere Unabhängigkeit. Unabhängigkeit allem gegenüber. Für sie zählt nur ihre Kunst. Sie leben in ihrer Welt. Und sie sind in dieser Welt - diese Erfahrung habe ich jedenfalls gemacht - in der Regel mit ihrem Lebenszustand glücklich. Wir "Nicht-Künstler" haben es da sehr viel schwerer. Wir erleben sehr viel mehr Einflüsse. Der Künstler nimmt da auf nichts Rücksicht, er lebt nur für sich und für seine Kunst.

Sie haben viele interessante Künstler getroffen. Können Sie uns über besonders beeindruckende Begegnungen berichten?

Es gibt natürlich Begegnungen, die mir viel geben, etwa die mit Sigmar Polke, Alex Katz und Arnulf Rainer. Aber am meisten verbindet mich mit Gerhard Richter. An ihm fasziniert mich besonders seine Klarheit. Dieser Mensch hat ein ganz klares Weltbild, lebt in seiner Kunst. Ihn interessiert nicht, was andere machen, wie teuer andere ihre Bilder verkaufen. Er lebt eigentlich nur in seiner eigenen Welt. Das hat mich am meisten fasziniert.

Wenn ich das bedenke, erinnere ich mich immer an meinen Vater. Er war ja ein bedeutender Verleger und lebte ähnlich wie Richter in seiner eigenen Welt. Mein Vater hat nie ein Konkurrenzblatt gelesen, er hätte nie den "Stern" gelesen oder "Die Zeit", das hat ihn gar nicht interessiert, für ihn gab es gar keine anderen Zeitschriften, er war nur fokussiert auf seine eigenen Produkte, die er so machte, wie er es für richtig hielt. So wie er lebte, so wie er war, so hat er auch seine Zeitschriften verlegt.

Ihr Museum, das "Museum Frieder Burda" in Baden-Baden, existiert seit vier Jahren. Wie sieht Ihre Bilanz aus? Wurden Ihre Erwartungen erfüllt? Ich habe mit dem Museum großes Glück gehabt. Angefangen damit, dass ich mit Richard Meier einen Architekten fand, der in diesen Park hier etwas implantierte, was in die Landschaft und ins Stadtbild passt. Ich hoffte natürlich, dass das Museum ein Erfolg würde. Aber dass er so groß wurde, hätte ich nie gedacht. Wir haben in diesen ersten vier Jahren etwa 750.000 Besucher gehabt, eine gewaltige Zahl. Und das in einer Stadt mit gerade mal 50.000 Einwohnern. Wir sind zwar eine traditionsreiche, bekannte und bedeutende Kurstadt, aber letztlich doch eine Kleinstadt. Wir haben mit unserer Chagall-Ausstellung 195.000 Besucher angelockt. Darüber freue ich mich natürlich.

Über die Zusammenarbeit zwischen Kunstsammlern und öffentlichen Institutionen ist es in der Vergangenheit öfters zu Diskussionen gekommen, weil die Sammler zwar ihre Kunstsammlungen zur Verfügung stellten, der Staat aber auf horrenden laufenden Kosten für den Museumsbetrieb sitzen blieb. Sie haben mit Ihrem Haus von Anfang an einen anderen Weg gewählt.

Es war ein Trend der neunziger Jahre, dass Kunstsammler glaubten, sie könnten der öffentlichen Hand ihre Sammlung übergeben, und die kümmert sich dann um alle anfallenden Kosten. Das ist, glaube ich, vorbei, weil es zu viele Sammlungen gibt. Ich wollte das aber nie. Ich wollte immer unabhängig bleiben. Ich habe Glück gehabt. Ich habe fast alles richtig gemacht. Ich hatte zwei sehr erfolgreiche Eltern. Meine Mutter war ja auch eine große Verlegerin, sie gründete "Burda Moden", eine Modezeitschrift von Weltgeltung. Deshalb war es mir ein Bedürfnis, ein Lebenswerk zu schaffen, das bleibt. Das funktioniert nicht, wenn die öffentliche Hand für die Kosten aufkommt. Ich wollte etwas machen, das ich ganz allein verantworte. Unabhängigkeit ist für meine Stiftung, die das Museum trägt, ganz wichtig.

Der Berliner Sammler Heinz Berggruen lebte ja praktisch in seinem Museum. Wie sieht es bei Ihnen aus? Wandeln Sie oft durch Ihr Haus?

Ich bin sehr oft im Haus und freue mich an den Bildern. Ob ich im Museum leben wollte, weiß ich nicht - wahrscheinlich nicht. Ich verwende die Räume lieber als Ausstellungsräume, weil ich jeden Meter brauche. Aber ich kann den Wunsch, immer bei seinen Bildern zu sein, sehr gut nachvollziehen.

Wie sollte Ihres Erachtens nach ein Kunstsammler beschaffen sein?

Es muss jemand sein, der aus Liebe zur Kunst sammelt. Man kann ja alles sammeln. Man kann auch Aschenbecher sammeln und Freude daran haben. Dann hat man am Ende tausend Aschenbecher und ist glücklich. Und der Aschenbechersammler würde wohl sagen, dass seine Sammlung genau so wichtig ist wie eine Picasso-Sammlung. Das muss man verstehen. Denn er jagt vielleicht jahrelang einem bestimmten Aschenbecher nach, bis er ihn schließlich für seine Sammlung bekommen kann. So geht es dem Kunstsammler auch.

Kunstsammeln hat immer etwas mit Jagd zu tun. Jagd auf ein Bild, bis man es dann bekommt. Aber diese Jagd sollte beim Kunstsammler immer aus einer echten Begeisterung für die Kunstwerke heraus kommen. Es gibt ja auch Kunstsammler, die sammeln, um ihr Image aufzupolieren, den Wert zu steigern. Aber wirkliche Kunstsammler sind besessen und durchdrungen von dem, was sie erwerben wollen. Oft nehmen sie dafür große Mühen auf sich. Ich kenne einige Kollegen, die viel Geld investieren oder sich sogar verschulden, um ein geliebtes Bild zu kaufen. Der echte Kunstsammler muss durchdrungen sein von der Leidenschaft für die Kunst, und von der Leidenschaft, etwas Schönes zu erwerben und aufzubauen.

Wenn man ans Kunstsammeln denkt, muss man immer auch an den Kunstmarkt denken. Der expandiert permanent, regelmäßig hört man von Rekordpreisen, auch für zeitgenössische Künstler. Beeinflussen diese Entwicklungen Ihre Sammlertätigkeit?

Ich finde, dass sich der Kunstmarkt in den letzten Jahrzehnten sehr negativ entwickelt hat. Er ist haltlos, er ist maßlos geworden. Ich bin der Meinung, dass es zwar vielleicht noch eine Weile so weitergehen wird, aber es kann auf die Dauer nicht so bleiben, dass es jedes Jahr riesige Preissteigerungen gibt. Es ist für einen Sammler wie mich nicht besonders angenehm, mit einem so überschäumenden Kunstmarkt konfrontiert zu sein, mit Preisen, die ins Uferlose steigen. Ein besonders großer Nachteil dieser Entwicklung ist es, dass es immer schwieriger wird, gute Ausstellungen zusammenzustellen. Die Preise für die Bilder sind so hoch, dass sich viele Sammler nicht mehr von ihren Bildern trennen wollen. Da nützt es auch nichts, sich horrend zu versichern, denn für einen wirklichen Kunstliebhaber ist der Verlust eines Bildes natürlich nicht mit Geld aufzuwiegen. Deshalb sind Sammler und Museen heute viel, viel vorsichtiger, wenn es um hochkarätige Leihgaben geht.

Im 19. Jahrhundert war das noch anders. Damals war es für jeden Sammler noch ein besonderes Ereignis und erfüllte ihn mit großem Stolz, wenn eines seiner Bilder in einem Museum gezeigt wurde. Damals waren die Sammler auch gern bereit, ihre Bilder zur Verfügung zu stellen, und es war leicht, große Ausstellungen zu machen. Es wird auch heute manchmal noch behauptet, dass Sammler ihren Bildern mit Museumsausstellungen einen höheren Preis verschaffen wollen. Ich halte das für vollkommenen Unsinn. Diese Zeiten sind längst vorbei. Für mich ist es wegen der hohen Preise heute viel schwerer geworden, Bilder zu kaufen. Der ganze Markt ist ja heute Spekulation. Nicht nur in der Kunst, sondern auf allen Gebieten, etwa beim Öl- oder dem Goldpreis. Es ist alles irrational geworden. Und alles Irrationale ist sehr schwer zu beurteilen.

Sie haben gerade eine Kooperation mit dem Pariser "Centre Pompidou" vereinbart. Was beinhaltet diese Partnerschaft?

Das ist eine Form von Zusammenarbeit, die ich seit langem angestrebt habe. Ich bin ja seit vielen Jahren mit dem "Centre Pompidou" in sehr engem Kontakt, bin jetzt auch dort in der Ankaufskommission. Wir haben vereinbart, Exponate aus unseren Sammlungen künftig in regelmäßigen Abständen auszutauschen, und ein "Fenster" des "Centre Pompidou" in Baden-Baden einzurichten. Wir wollen zum Beispiel Neuerwerbungen des "Centre Pompidou", besonders auf dem Gebiet der jungen Kunst zeigen. Wir werden dafür im Gegenzug aus unserem Bestand in Paris ausstellen. Für das Jahr 2009 planen wir, eine Ausstellung mit Werken aus Paris in Baden-Baden zu präsentieren. Vielleicht sogar fast nur mit junger Kunst und nur einigen wenigen Exponaten aus der klassischen Sammlung. So können wir hier in unserer Region sozusagen in eines der bedeutendsten Museen der Welt - wie durch ein Fenster - hineinschauen.

Die Wiener werden ja im kommenden Winter eine große Gerhard Richter-Ausstellung in der Albertina zu sehen bekommen, die der wohl zurzeit wichtigste lebende deutsche Künstler in Zusammenarbeit mit Ihrem Museum konzipiert hat. In Baden-Baden war die Schau ein großer Erfolg, ebenso in Peking. Sie waren ja dort, haben mit aufgebaut und das Treiben in den ersten Tagen beobachtet. Können Sie über die Ausstellung, über ihre Aufnahme in China erzählen und den Wienern Geschmack auf die kommende Schau machen?

Das ist eine Ausstellung von großer Bedeutung. Ein Querschnitt durch Gerhard Richters Schaffen der vergangenen 40 Jahre. Es werden etwa 70 Exponate gezeigt, die zum Besten zählen, was Richter gemacht hat. Eine Auswahl, die der Künstler selber getroffen hat. Es sind Bilder, die sonst in vier privaten Sammlungen verstreut sind, und es sind sehr viele frühe Bilder des Künstlers dabei, aber auch Exponate aus jüngster Zeit. Kurzum, die gesamte Palette Gerhard Richters ist zu sehen, von den realistischen Bildern bis hin zu den abstrakten Gemälden.

In China kam die Schau unheimlich gut an. Die chinesischen Künstler verehren Richter. Für sie ist er der Größte. Viele malen sogar nach Richter. Ich habe eine Reihe von Galerien besucht, und zwar in dem riesigen Kunstdistrikt, der in der chinesischen Hauptstadt in den letzten Jahren aufgebaut wurde. Dort gibt es viele Galerien und Cafés, alles ist sehr schön gemacht. Dort habe ich immer wieder Künstler getroffen, die von Gerhard Richter beeinflusst sind.

Herr Burda, was macht jemand wie Sie, wenn er sich einmal nicht mit Kunst beschäftigt?

Ich habe eine recht bedeutende Vermögensverwaltung, die macht auch viel Arbeit. Aber die Kunst ist aus meinem Leben nicht wegzudenken. Wenn ich etwa nach London fahre, dann stehen eigentlich immer Museums- und Galeriebesuche im Vordergrund. Ich glaube, Kunst und Leben lassen sich bei mir nicht trennen.

Zur Person

Frieder Burda, geboren 1936 im badischen Gengenbach als zweiter Sohn des Verlegers, Druckereibesitzers und Senators Dr. Franz Burda, verbrachte Kindheit und Jugend in seiner Geburtsstadt. Nach seiner Schulzeit in Offenburg und in der Schweiz absolvierte er eine Drucker- und Verlagslehre. Im Konzern seines Vaters wurde er kaufmännisch ausgebildet. Mehrere Jahre verbrachte er in Frankreich, England und den USA, bevor er eine Druckerei in Darmstadt übernahm. Diesen Betrieb entwickelte Burda zu einer der führenden Akzidenzdruckereien in Europa. 1973 trat er als Gesellschafter in die Burda GmbH in Offenburg ein. Nach dem Tod des Vaters 1986 entschieden sich die drei Söhne, künftig getrennte Wege zu gehen. Frieder Burda widmete sich neben dem unternehmerischen Engagement für eine Reihe von Firmenbeteiligungen verstärkt der Kunst.

Als Sammler konzentriert sich Burda auf eine überschaubare Anzahl von Künstlern, von denen umfangreiche Werkkomplexe in seiner Sammlung vorhanden sind. Dabei ist die klassische Moderne ebenso vertreten, wie der Amerikanische Abstrakte Expressionismus, bedeutende Gemälde des späten Picasso und die deutsche Kunst der Nachkriegszeit. Zeitgenössische Künstler wie Georg Baselitz, Sigmar Polke, Arnulf Rainer und Gerhard Richter gehören zu den Säulen der mittlerweile über 800 Werke umfassenden Sammlung.

Im Oktober 2004 eröffnete Frieder Burda in Baden-Baden das vom New Yorker Architekten Richard Meier geplante "Museum Frieder Burda", das bisher etwa 750.000 Kunstinteressierte besuchten. Bis zum 26. Oktober zeigt das Museum noch die große Sommerausstellung "Die Skulpturen der Maler", ein Dialog von Skulptur und Malerei mit 140 Gemälden und Skulpturen etwa von Degas, Gauguin, Matisse über Picasso, Giacometti, Beckmann bis zu Baselitz. Für das nächste Jahr sind eine große Schau über den "Blauen Reiter" sowie eine Ausstellung von Georg Baselitz geplant. Zudem gibt es Präsentationen der eigenen Sammlung und Neuerwerbungen junger Kunst zu sehen.