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Frische Kräuter am Balkon

Von Anita Ericson

Reflexionen
© Corbis

Gleich dreifach profitieren: Ein Kräuterensemble sieht hübsch aus, duftet verführerisch und schmeckt köstlich. Die bei uns in der Küche vorzugsweise verwendeten Kräuter sind üblicherweise robuste Pflanzen, sieht man vom Sonderfall Basilikum einmal ab, das man niemals Temperaturen unter 15 Grad aussetzen sollte.


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Was für ein herrlicher Frühlingstag. Nichts wie raus mit den Kräutern auf den Sonnenbalkon, auf dass sie wachsen und gedeihen. Stopp! Gut gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von gut gemacht. Wer sein frisch erworbenes Kräutertöpfchen so mir nichts, dir nichts der Sonne aussetzt, macht ihm vor allem eines: Stress. Sie fliegen ja auch nicht mitten aus dem Winter in die Karibik und werfen sich ganz ohne Sonnenschutz an den Strand? Sie können sich ausmalen, wie Ihre Haut auf die ungewohnte Sonne reagiert - ähnlich tun das die Blätter der jungen Pflanze, die bis dato gut behütet im Glashaus aufgewachsen ist. Freilich lieben Kräuter die Wärme, aber erst nach einer Eingewöhnungsphase sollte man sie unbekümmert den UV-Strahlen der Sonne aussetzen. Obwohl, auch das stimmt nicht so ganz: Mit dem Fortschreiten des Jahres gewinnt die Sonne an Kraft und kann selbst an sich hitzeresistente Pflanzen an den Rand des Kollaps bringen. Die Sonne strahlt ja nicht bloß von oben auf die Blätter, sie heizt auch den Topf kräftig auf. Ein idealer Standort für die Kräuterkiste ist also jener, der über die Mittagzeit im Schatten liegt, so kann sich das Aroma voll entfalten, ohne dass die Pflanzen unter der Hitze leiden.

Die bei uns in der Küche vorzugsweise verwendeten Kräuter sind üblicherweise robuste Pflanzen, sieht man vom Sonderfall Basilikum einmal ab, das man niemals Temperaturen unter 15 Grad aussetzen sollte. Salbei, Rosmarin oder Thymian direkt in den Boden gepflanzt sind quasi nicht umzubringen. Wer seine Kräuter jedoch in Töpfen oder Trögen am Balkon hält, hat einige Regeln zu beachten.

Nummer eins: Keine nassen Füße. Das Pflanzgefäß sollte über eine Drainage, etwa eine Lage an Kieselsteinen, samt Abfluss verfügen. Alternativ kann man auch von unten gießen, also das Wasser in den Untersetzer geben und der Pflanze zwanzig Minuten Zeit zum Trinken geben - danach das überschüssige Wasser wieder ausleeren. Diese Methode eignet sich vor allem für Kräutertöpfe, die in der Fensterbank stehen.

Nummer zwei: Düngen. Regelmäßiges Gießen wäscht die Erde aus. Mit einem organisch-biologischen Flüssigdünger einmal die Woche gleicht man den Nährstoffverlust aus. Aber Achtung: Keinesfalls zu viel düngen, da sonst das Aroma darunter leidet.

Nummer drei: Kälteschutz. Der Frühling, während dem die Kräuter noch jung und zart sind, besteht nicht nur aus sonnigen Tagen. Schüttet es wie aus Kübeln, tut man gut daran, die jungen Pflänzchen vor den harten Wassertropfen zu schützen. Sonst kann es passieren, dass einem die halbe Erde weggewaschen wird und die Pflanzen von oben zerfleddern. Zudem sollte man bis Mitte Mai immer ein Auge auf den Wetterbericht halten, ist Frost angesagt, gehören die Pflanzen über Nacht entweder mit Vlies abgedeckt oder ins Haus. In diesem Sinne ein Tipp von Monika Weber, Bio-Kräutergärtnerin aus Wien: "Am kältesten sind in der Regel die Vollmondnächte. So heißt es etwa vor Ostern gut aufpassen." Der engagierte (Kräuter-)

Gärtner trägt sich für heuer also den 18. April in den Kalender ein, zum nächsten Vollmond nach den Eisheiligen am 17. Mai sollte die kritische Phase vorbei sein. Gerade im Wiener Raum gibt es aber noch eine Wettererscheinung, die den Kräutern kältemäßig zusetzen kann: der Wind. Vor allem Balkongärtner in höheren Etagen sollten das beim Aufstellen bedenken und an kühlen, windigen Tagen die Kiste weg vom Geländer nehmen und auf dem Boden, eventuell im Schutz der Hausmauer, platzieren. Achtung auch bei Fensterbänken, Pflanzen vertragen keine Zugluft!

Zu wenig Platz. Sie schützen die Pflanzen vor Wind und Wetter und trotzdem sehen sie von Woche zu Woche trauriger aus? Das stolze Basilikum, das Sie vor einem Monat nach Hause getragen haben, zeigt gelbliche Blätter, der schöne Rosmarin will nicht und nicht wachsen? Monika Weber, deren Biokräuter bei Spar unter der Marke natur pur zum Verkauf gelangen, hat auch hier eine Antwort: "Vielleicht haben sie ein Platzproblem? Die handelsüblichen 14-cm-Töpfe sind praktisch und kompakt, lassen den Wurzeln aber nur wenig Raum." Umtopfen heißt die Lösung, womit sich ein weiteres Problem gleich mit in Luft auflöst - ist das Verhältnis von Pflanzengröße zum Erdreich ausgewogen, wird der Kräuterbuschen auch nicht mehr beim leisesten Lufthauch umfallen.

Gut gemischt. Alles einleuchtend und einfach. Damit zur guten Nachricht: Pflanzen Sie was Sie wollen, gemeinsam, dann müssen Sie nicht mit einzelnen Töpfen hantieren - Kräuter vertragen sich untereinander. Dem aromatischen Kräutermix steht nichts im Wege. Achten Sie jedoch beim Auspflanzen der jungen Kräuter in einen gemeinsamen Trog, dass allen genügend Spielraum verbleibt, um sich gemütlich ausbreiten zu können. Geben Sie jeder Pflanze reichlich Platz, auch wenn das anfangs mickrig aussehen mag. Bei richtiger Pflege dauert es nicht lange, bis daraus eine üppige Kräuterpracht geworden ist. Möchten Sie viele Kräuter hegen, legen Sie mehrere Kräuterkisten an und stellen Sie die Pflanzen nach ihrem unterschiedlichen Wasserbedarf zusammen. Als Faustregel gilt: Kräuter mit großen, weichen Blättern wie Basilikum, Liebstöckl, Minze oder Melisse brauchen mehr, Kräuter mit kleinen oder krautigen Blättern wie Rosmarin, Majoran oder Thymian brauchen weniger Wasser. "Verwenden Sie die gleichen Gefäße wie im Vorjahr, achten Sie darauf, den Petersil nicht an die gleiche Stelle zu setzen oder wechseln Sie die Erde. Denn Petersil verträgt sich nicht mit sich selbst", hat Monika Weber noch einen abschließenden Tipp parat.

Bitte auch verwenden. Wächst und gedeiht die Kräuterkiste prächtig, ist Ihre Küchenkunst gefragt. Wenn Sie die Kräuter nämlich nicht regelmäßig verwenden und zurückschneiden, wird daraus bald ein unordentliches Gewirr, das sich mitunter wenig ästhetisch auswächst. Für die laufende Verwendung kappen Sie die Triebspitzen oder pflücken Sie einzelne Blätter oder Stämmchen, zum radikalen Rückschnitt setzen Sie knapp vor der Blüte an, wenn die Kräuter ihr Aroma am stärksten entfalten. Schneiden Sie die Kräuter wenige Zentimeter über dem Boden ab und konservieren Sie sie durch Trocknen, Einfrieren, Einlegen in Öl oder Essig. Sie können auch Sirupe oder Pestos herstellen. Der beste Erntezeitpunkt ist der späte Morgen, wenn der Tau abgetrocknet ist. Nach dem Zurechtstutzen wachsen die Pflanzen umso buschiger nach, die Ausnahme ist einmal mehr das Basilikum, das immer nur Blatt für Blatt, Spitze für Spitze geerntet wird. Dafür ernten Sie Schnittlauch und Petersilie nicht bloß vor der Blüte sondern immer, sobald sie groß und kräftig sind, durch Abschneiden der benötigten Menge über dem Boden.

Qual der Wahl. Aber was heißt schon Petersilie, Minze, Salbei oder Basilikum. Es gibt Dutzende Sorten. Wurzel- und Blattpetersilie, Letztere in glatter und krauser Ausführung. Orientalische Teeminzen wie die marokkanische Minze, Orangen-, Zitronen- und Bergamotteminze, Basilikum-, Lavendel- und Feigenminze. Dreifarbiger, Ananas- und Muskatellersalbei, Zitronen-, Samt- und Dalmatinischer Salbei. Anis-, Thai- und Strauchbasilikum, kleinblättriges und rotes Basilikum - da lacht des Gärtners Herz! Andererseits kann einem beim beschränktem Platzangebot, wie es die Balkon- oder Terrassenpflanzung mit sich bringt, schnell die Auswahl zu groß werden. Denn neben den üblichen - und bereits erwähnten - Verdächtigen gibt es noch mehr an Kräutern, die sich lohnen anzubauen: Kerbel, der wie eine Mischung aus Petersilie und Anis schmeckt, Koriander, unverzichtbarer Bestandteil asiatischer Speisen, aber auch als Tüpfelchen auf dem i eines cremigen Schafkäses, Rucola, der bei uns früher Rauke hieß und dessen scharfer Geschmack neuerdings wieder in Mode ist, Boretsch, der mit seinem gurkenähnlichen Aroma als Würze für Obstsalate und Gemüse dient, oder die mittlerweile etwas in Vergessenheit geratene Dille. Oder wie wäre es mit einer Pflanze, die wunderbar schmeckt und daneben auch noch mit ihrer Blütenpracht besticht: die Kapuzinerkresse. Ihre roten bis gelben Blüten sind eine Augenweide für jede Terrasse, zudem essbar und damit eine hübsche Dekoration für viele Gerichte. Die jungen Blätter schmecken kräftig würzig und peppen jeden Salat auf, die unreifen Samen kann man in Essig einlegen und im Winter als Kapernersatz auftischen.