Ein Ex-Gewerkschaftler ohne große politische Erfahrung soll Schwedens neuer Premierminister werden. Der Sozialdemokrat wird wohl an der Spitze einer Minderheitsregierung stehen.
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Stockholm. (ce) Stefan Löfven wirkte in der Wahlnacht wie ein Fels in der Brandung. Der ruhige 57-jährige Ex-Gewerkschaftler mit der robusten Nase und dem stets verschmitzten Gesichtsausdruck hat am Sonntag einen Wahlsieg über die bürgerliche Vier-Parteien-Koalition von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt errungen. Seine Sozialdemokraten haben 31,2 Prozent der Stimmen erhalten, zusammen mit den Grünen und der Linkspartei kommen die bisherigen rotrotgrünen Oppositionsparteien auf 43,7 Prozent.
Löfven war bis vor zwei Jahren Chef der IF-Metall, einer der größten Gewerkschaften im Land. Deshalb sitzt er derzeit nicht mal im Reichstag. Er verspricht eine teilweise Rückkehr zum sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat. Die in zwei Legislaturperioden von Reinfeldt vorgenommen Privatisierungen und Steuersenkungen will er korrigieren. Wahlverlierer Reinfeldt spricht von "DDR-haften" Plänen.f
Löfven stellt sich gern als richtigen "Arbeiter" mit Kontakt zur Basis dar. Er hat Schweißer gelernt und kommt im Gegensatz zu anderen Genossen, die schon als Töchter und Söhne von hohen Parteifunktionären geboren wurden, aus einer einfachen Familie. In seinen Wahlkampfreden betonte er seinen Hintergrund. "Ich habe eine gute Ausbildung erhalten, obwohl das nicht selbstverständlich war, für einen Arbeiterjungen", sagte er über seine Kindheit. Aufgewachsen ist er wegen des frühen Todes seines Vaters in einer Pflegefamilie. Sein Pflegevater war Wald- und Fabrikarbeiter. "Als meine Mutter sich nicht mehr um mich kümmern konnte und den vielleicht schwersten Beschluss für eine Frau, ihr Kind wegzugeben, getroffen hatte, da funktionierte unsere Gesellschaft noch", so Löfven. So soll das wieder in Schweden werden, verspricht er und kündigt mehr Staat, höhere Steuern und Sozialausgaben an. Vor allem die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit will er bekämpfen. Reinfeldt konnte sie trotz steuerlicher Entlastung von Unternehmen nicht senken, obwohl das eines der Hauptprojekte seiner "Neuen Arbeiterpartei" Moderaterna war und Hauptgrund für deren ersten Wahlsieg 2006. Die Arbeitslosenrate liegt derzeit bei 8 Prozent. Für Schweden ist das viel, auch wenn es für andere EU-Länder wenig wäre.
Auch den qualitativ schlechten Zustand der Schulbildung verspricht Löfven anzupacken. Schweden war bei der bislang letzten Pisa-Studie weit nach hinten gefallen. Zudem haben Reinfeldts Steuersenkungen inzwischen ein großes Loch in die schwedische Haushaltskasse gerissen. Das ließ im Rückblick die Sozialdemokraten, die den Haushalt nach der Krise in den 90er Jahren wieder ins Lot gebracht hatten, als die besseren Geldverwalter erscheinen.
Kritiker halten ihn für Amateur
Der kinderlose, aber verheiratete Löfven hat keine Erfahrungen in der politischen Arena. Zwar sind die schwedischen Arbeitnehmerverbände traditionell eng mit den Sozialdemokraten verbunden. Jedoch hat die Partei noch nie einen reinen Gewerkschafter zum Parteichef gemacht. "Löfvens Mangel an politischer Erfahrung ist ein großes Problem", sagt etwa der schwedische Politikhistoriker Leif Lewin. Er hält Löfven für "zu amateurmäßig". Er verspreche im Wahlkampf zu viel, was er später nicht halten könne, und denke nicht strategisch genug. Der zum rechten Parteiflügel gehörende Löfven wurde 2012 zum Parteichef gewählt, nachdem der vorherige Spitzenkandidat des linken Parteiflügels, Håkan Juholt, in parteiinternen Kämpfen gestürzt wurde. Löfvens jetziger Sieg ist vor allem der Schwäche der Konservativen zu verdanken. Reinfeldts Moderaterna stürzte um 6,7 Prozent auf 23,2 Prozent ab. Die Sozialdemokraten dagegen legten kaum zu.