Es gibt Wege aus den Sackgassen der ökonomischen Ideenschmieden.
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Auf der Straße liegt eine 100-Euro-Note. Sollen Sie diesen Geldschein aufheben? Die Antwort ist ein Nein, denn wäre die Note echt, hätte sie schon jemand anderer kassiert. Das ist eine jener in enthüllenden Humor verpackten Anekdoten über den bedenklichen Zustand der Wirtschaftswissenschaften.
Gewarnt wird damit vor jenem Virus des ökonomischen Denkens, das sich in vielen Mutationen weltweit ausgebreitet hat und der Profession der Ökonomen angesichts der Herausforderungen von AstraZeneca bis zu Amazon den Ruf von Nutzlosigkeit eingetragen hat. Aber gerade deshalb lohnt es sich, nach Fundstücken Ausschau zu halten, die Wege aus den Sackgassen der ökonomischen Ideenschmieden markieren. Drei Frauen liefern dazu innovative Ideen und mutige Vorschläge.
Mariana Mazzucato vom University College London bekam in den letzten Jahren den Status eines Shooting Stars. Sie punktet mit erfrischenden Aussagen zu zielorientierter Innovation als die neue Herausforderung für die Wirtschaftspolitik. Dazu braucht es nicht weniger Staat, aber eine ganz andere Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Dazu braucht es Ziele, die wie beim Start des Raumfahrtprogramms der USA unter Präsident Kennedy noch nicht realisierbar erscheinen, die aber mit extremen gemeinsamen Anstrengungen zu bewältigen sind und neue Möglichkeiten für Wohlstand schaffen.
Kate Raworth von der Universität Oxford verpackt ihre Vision einer zukunftsfähigen Wirtschaft in das Bild eines Donuts, das typisch amerikanische Dessert in Form eines durchlöcherten Krapfens. Diese Donut-Ökonomie soll ein Wirtschaftsmodell inspirieren, das den Wohlstand mit den sozialen Standards unserer Gesellschaft und den Grenzen unseres Planeten ausbalanciert. Das ist auch ein sehr praktikabler Zugang zu den im Jahr 2015 von der UNO verabschiedeten Sustainable Development Goals, die es noch immer nicht auf die Agenda der österreichischen Wirtschaftspolitik geschafft haben.
Stephanie Kelton hat in den USA eine Karriere durchlaufen, die sich von der Budgetexpertin im US-Senat bis zur Professur als Ökonomin spannt und ihren Namen unter den 50 prägendsten Personen für die politischen Debatten in den USA listet. Ihr Name wird mit einem neuen Verständnis im Umgang mit öffentlichen Budgets und damit verbundenen Verschuldungen verknüpft mit der provokanten Ansage: Diese sind nicht mit den Budgets und den Verschuldungen von privaten Haushalten vergleichbar. Öffentliche Verschuldungen sind vertretbar, wenn damit zukunftssichernde Aktivitäten finanziert werden, wie alle Innovationen für Bildung, Gesundheit und Infrastruktur. Die Grenzen für die öffentliche Verschuldung sind nicht deren Höhe, sondern deren Wirkung auf die Inflation.
Nach einem Jahr Covid-19-Ausnahmezustand wird sichtbar, dass die alten Textbausteine als Antwort auf die Fragen nach Innovation, Wohlstand und Staatsverschuldung ihr Ablaufdatum erreicht haben. Noch finden sich nicht ausreichende Antworten in den Millionen von Textbooks, mit denen an den Universitäten Volkswirtschaft gelehrt wird. Gerade deshalb lohnt sich aber eine Suche im Internet nach den Namen Mariana Mazzucato, Kate Raworth und Stephanie Kelton.
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Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und
Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.