Zum Hauptinhalt springen

Friseurin, Traumberuf der Frauen

Von Petra Tempfer

Wirtschaft
Jede Jugendliche will schön sein - der klassische Wunschberuf Friseur drängt sich daher auf. Foto: corbis

Eingefleischte Rollenbilder durch Erziehung und Schule. | Tendenz zu Pfusch und Ein-Personen-Unternehmen kostet Lehrstellen. | "Rollenbilder müssen aufgeweicht, Lehrlinge besser informiert werden." | Wien.Duftende Haarlocken auftoupieren, fantasievolle Farbvariationen kreieren und mit Spangen und Haarspray kleine Kunstwerke erschaffen: Der Traumberuf junger Frauen, die eine Lehre absolvieren wollen, ist noch immer Friseurin, wie Susanne Rauscher vom Arbeitsmarktservice (AMS) Wien betont. Kosmetikerin, Büroangestellte und Verkäuferin rangieren ebenfalls unter den Top Vier. Wenig verwunderlich ist daher, dass Burschen am liebsten Automechaniker werden wollen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Speziell die Lehrstellen für angehende Friseure halten dem Ansturm allerdings nicht mehr stand. Grenzüberschreitender Pfusch und die deutliche Tendenz zu Ein-Personen-Unternehmen (EPU) lassen diese schrumpfen. "Der Anteil der EPU an den Friseurbetrieben steigt deutlich an und liegt derzeit bereits bei zehn Prozent", präzisiert Wolfgang Eder, Bundesinnungsmeister der Friseure, gegenüber der "Wiener Zeitung". Der Grund dafür sei, dass Neugründungen dieser Unternehmen seit fünf Jahren von der Wirtschaftskammer verstärkt gefördert werden. "Das sind oft Frauen, die nach der Kindererziehung wieder arbeiten gehen und zu den Kunden nach Hause kommen. Diese haben meist keine Meisterprüfung, arbeiten günstig und führen kein Geschäftslokal. Außerdem bilden sie keine Lehrlinge aus. Die Folge ist ein eklatanter Lehrlingsschwund", fügt Reinhold Schulz, Vize-Landesinnungsmeister der niederösterreichischen Friseure, hinzu.

Derzeit lernen laut Statistik Austria 5652 der insgesamt 132.900 Lehrlinge in Österreich den Friseurberuf. Rund sieben Prozent davon sind männlich, 2002 waren es fünf Prozent. "Das Loslösen vom traditionellen Rollendenken schreitet nur zäh voran", kommentiert Klaudia Wrba, Geschäftsleiterin des AMS St. Pölten, diesen Trend. Die meisten jungen Mädchen verknüpften Friseurin oder Sekretärin mit angenehmen Arbeitszeiten und damit, sich bei der Arbeit nicht schmutzig zu machen. "Außerdem - jede Jugendliche will schön sein. Die klassischen Traumberufe drängen sich daher auf."

Prägung im Kleinkindalter

Die Soziologin Martina Beham geht noch weiter und meint, dass die Rollenbilder bereits im Kleinkindalter anerzogen werden. "Zuerst in der Familie, dann im Kindergarten und in der Schule werden die Muster verfestigt, dass Mädchen zu Puppen und Buben zu Autos greifen", erklärt sie.

Eine Pilotstudie des Instituts für Soziologie der Johannes Kepler Universität Linz bestätigt ihre Theorie. Für diese waren Kindergartenpädagoginnen, Mütter und deren fünfjährige Kinder aus Linz und Wien befragt worden. Auch die Kinderzimmer zu Hause wurden besichtigt. "Das Ergebnis war eindeutig", so Beham, "die Zimmer der Mädchen waren zu 90 Prozent rosa und mit Puppen und Spielküchen voll geräumt, in jenen der Buben fanden sich elektrische Eisenbahnen und Autos."

Sämtliche befragte Mütter hatten die Rollenbilder nicht bewusst vermittelt, wie die Studie ergab. "Und selbst wenn sich die Mütter für ein Aufweichen der alten Muster engagieren würden, würde ihr Bemühen nicht greifen", meint die Soziologin lakonisch. Spätestens im Kindergarten, dann in der Schule und letztlich in der Arbeitswelt würden die Muster zum Tragen kommen. Auch das Fernsehen, dessen weibliche Teenie-Serienstars zumeist blonde, dick geschminkte Rosa-Fanatiker sind, sowie die Literatur würden das Rollendenken verstärken.

Wahre Begabungen finden

Im Gegensatz zu den Soziologen gehen Psychoanalytiker von inneren, genetisch programmierten Antriebskräften für diese Entwicklung aus. "Tatsache ist, dass die alten Muster nur dann aufgeweicht werden können, wenn Eltern, Pädagogen und das ganze Umfeld mitwirken", sagt Wrba. In Wien wurde vor kurzem der zweite geschlechtssensible Kindergarten gegründet, in dem bewusst etwa auf die typische Bau- und Puppenecke verzichtet wird.

Was die Lehrstellensuche betrifft, plädiert Wrba dafür, dass die Jugendlichen besser informiert werden. "Spätestens in der achten Schulstufe sollen sie etwa in ein ,BerufsInfoZentrum des AMS kommen oder einen Potenzial-Check am Wirtschaftsförderungsinstitut Wifi durchführen lassen", rät Wrba. Die meisten wüssten nämlich gar nicht, wo ihre wahren Interessen und Begabungen liegen - und dass es neben Friseurin, Büroangestellte und Verkäuferin noch mehr als 200 weitere Lehrberufe gibt.