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Fritz Simak

Von Wenzel Müller und Alexander Ginzel

Reflexionen

Der Wiener Fotograf und Ausstellungskurator Fritz Simak über den Reiz des Fotosammelns, Entdeckungen in Auktionshäusern - und warum er analoge Fotografie bevorzugt.


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Foto-Klassiker: "Shell" von Edward Weston, 1927.
© © Sammlung Simak

"Wiener Zeitung": Herr Simak, Sie sind einer von wenigen professionellen Fotosammlern, die es in Österreich gibt. Fühlt man sich da als etwas Besonderes?Fritz Simak: Für den, der das von außen betrachtet, mag das etwas Besonderes, vielleicht sogar Seltsames sein. Schließlich gibt es keinen vernünftigen Grund, für ein Blatt Papier in der Größe 20 mal 25 cm eine Million Dollar auszugeben, was ich im Übrigen auch nicht kann. Ein irrationaler Faktor ist also immer dabei. Ich selber fühle mich aber nicht als etwas Besonderes. Für mich ist das Fotosammeln eine gewachsene, in sich schlüssige Sache.

Wie fing es damit an?

Ich war bei den Wiener Sängerknaben und wir sind in viele Länder gereist. Im Bus konnte ich nicht lesen, weil mir dabei schlecht wurde. Also habe ich meine Umgebung mit einer Super-8-Kamera festgehalten, die ich von meinen Eltern bekommen hatte. Zu Fotos hatte ich also schon früh ein enges Verhältnis. Ich überlege gerade, wann ich mein erstes Foto gekauft habe. Ich glaube, das muss eines von Franco Fontana gewesen sein, 1971.

1971 hatte die Fotografie hierzulande als Kunst noch keinen hohen Stellenwert. Es war in Wien nicht einmal möglich, an der Kunstakademie Fotografie zu studieren. Wie kam es also, dass Sie sich für dieses Metier interessiert haben?1970 gründeten Anna Auer und Werner Mraz in der Wiener Bäckerstraße die Fotogalerie "Die Brücke"; nach der Photographers Gallery in London war das die erste kommerzielle Fotogalerie auf dem Kontinent. Nicht in Paris, sondern in Wien! In der "Brücke" hingen gerahmte Fotos an den Wänden - damals etwas völlig Ungewöhnliches. Mich hat das fasziniert. Als Jugendlicher bin ich da hinein- und mitgewachsen. Als ich jung war, faszinierten mich vor allem die surrealen Bildserien von Duane Michals oder abstrakte Landschaften von Franco Fontana. Mit den Giganten der Fotografie, wie Ansel Adams und Edward Weston, konnte ich hingegen weniger anfangen. Diese Bilder waren mir damals nicht "innovativ" genug. Erst nach und nach bekam ich ein Auge für die Subtilitäten eines Edward Weston. Heute finde ich, dass die scheinbar einfachen Dinge die wirklich schwierigen sind.

Gibt es auch "einfache Fotos", die Sie sammeln?

In gewisser Weise schon. 99 Prozent der Fotos, die ich besitze, sind mit einer analogen Kamera aufgenommen worden. Fotos, die mir gefallen, sind "reine Fotografie", sind Fundstücke. Auf die Intensität der Wahrnehmung kommt es an. Irgendwann habe ich dann begonnen, Fotos zu kaufen. Zunächst ohne Hintergedanken. Meine einzige Frage war: Kann ich mir das Foto leisten oder nicht? Und wenn ich es konnte, habe ich es meistens auch gekauft.

Verfolgen Sie heute ein bestimmtes Sammlungs-Konzept?

Mein Konzept ist: Das Foto muss mir gefallen, und es muss für mich eine bestimmte Bedeutung haben. Wenn ich gleichsam miterleben kann, was der Fotograf wahrgenommen hat, dann ist das eine wunderbare Sache. Ich muss von dem Foto überzeugt sein, und es muss mir auch egal sein, was andere darüber denken, seien es Galeristen, Kunstkritiker, Sammler oder Freunde. Mit dieser Strategie bin ich bisher sehr gut gefahren.

Richard Avedons Foto "Dovina with Elephants" aus dem Jahr 1955 wurde im Herbst 2010 bei Christie’s in Paris für 700.000 Euro versteigert. Wer legt den Wert für Fotos fest?

Es ist genauso wie bei anderen Dingen: Wenn viele Menschen einem bestimmten Objekt große Bedeutung beimessen, ist es teuer, unter Umständen sogar sehr teuer. Ob der Preis jeweils gerechtfertigt ist, ist eine andere Frage. Wenn die Bedeutung, aus welchen Gründen auch immer, wieder schwindet, sinkt auch der Wert. Auktionshäuser und Galeristen versuchen natürlich, den Preis in die Höhe zu treiben. Es kommen, insbesondere bei großen Auktionshäusern, immer wieder dieselben Bilder ins Angebot, als gäbe es nur 200 Fotografien, die wichtig wären. Aber es gibt auch rühmliche Ausnahmen, wie etwa das Auktionshaus Bassenge in Berlin, wo es noch möglich ist, für dreihundert Euro frisches Material zu kaufen. Viele Leute glauben, man bräuchte viel Geld zum Sammeln, aber das stimmt nicht.

Sie kaufen bei Auktionshäusern ein. Wäre es aber nicht spannender, einen Fotografen zu entdecken, den noch niemand kennt?

Die Zeiten, in denen man noch aufregende Entdeckungen - etwa auf Flohmärkten - machen konnte, sind nahezu vorbei. Aber auch in Auktionshäusern kann man hin und wieder Entdeckungen machen und gut einkaufen, weil sich kaum jemand traut, etwas zu erwerben, was keinen Namen hat. Rudolf Leopold hat einmal gesagt: ,Die Leute kaufen nur Sujets und Namen. Und ich fürchte, er hatte Recht.

Wie wichtig ist es Ihnen, die Fotografen zu kennen?

Mich interessiert im Grunde nur das Werk. Die Person dahinter, der Fotograf, ist zweitrangig - ich muss ihn ja nicht heiraten.

Wir wirkte sich die Finanzkrise auf den Fotomarkt aus?

Gar nicht. Fotosammler bilden eine relativ kleine Gemeinde, jeder sucht etwas Bestimmtes, und nur wenige sind bereit, überhöhte Preise zu zahlen. Und die meisten wollen auch nicht wieder schnell verkaufen, um Geld zu machen. So gesehen, sind Fotos eine stabile Anlage, zumindest was die klassische Moderne bis in die 1980er Jahre betrifft. Für Werke aus den letzten zwanzig Jahren werden meiner Ansicht nach mitunter überhöhte Preise gezahlt.

Wie viel Zeit bringen Sie für Ihre Recherchen im Internet durchschnittlich auf?

Rund drei Tage in der Woche.
Früher waren es mehr. Seit ich meine Fotosammlung mit jener von Andra Spallart zusammengelegt habe, verfügen wir mit rund 5000 Bildern über einen ordentlichen Fundus; wir haben Bilder unterschiedlichen Wertes und unterschiedlicher Herkunft. Nun koordinieren wir auch unsere Ankäufe.

Sie präsentieren Ihre Fotos auch gemeinsam, wie etwa zuletzt im Leopold Museum in der Ausstellung "Magie des Objekts".

Das ist auch ein wichtiger Beweggrund für mich als Sammler: Ich möchte mit den Fotos Geschichten erzählen, ich möchte sie in Zusammenstellungen präsentieren. Meine Ausstellungen sind eine Einladung zur Reflexion über Bilder, auch ohne Gebrauchsanweisung, deshalb haben wir auch keine Texte an den Wänden. Letztlich geht es dabei um Kommunikation. Die Fotos, die ich erwerbe, erzählen mir etwas. Und indem ich sie in einer Ausstellung präsentiere, erzähle ich wiederum etwas mit ihnen.

Sie besitzen anerkannte Werke der Fotogeschichte - inwieweit werden Sie dadurch in Ihrer eigenen Arbeit als Fotograf beeinflusst?

Einerseits sind diese Fotos eine Hilfe. Wenn ich beim Schwarz-Weiß-Vergrößern unsicher bin, was die Tonwerte betrifft, nehme ich einen Adams oder Weston heraus, das hilft. Außerdem wird mir durch den Umgang mit diesen Bildern klar, dass ich gewisse Dinge nicht mehr machen muss, denn die sind schon gemacht worden. Ich brauche das Rad nicht neu zu erfinden. Andererseits sind diese Bilder auch eine Bürde: In meiner eigenen Arbeit muss ich mich auch wieder frei von ihnen machen und sie zu vergessen suchen, sonst könnte ich gar nichts mehr fotografieren.

Was müssen Sie in konservatorischer Hinsicht beachten?

Die Fotos sollten in säurefreien Schachteln aufbewahrt werden. Die meisten haben schon 100 oder noch mehr Jahre überlebt, ohne besondere konservatorische Betreuung. Ein Schwarz-Weiß-Abzug, gut fixiert und gut gewässert, aufbewahrt in einem Wohnraum, hält praktisch ewig, außer man setzt ihn lange direktem Sonnenlicht aus, aber das sollte man ohnehin nur beim Wäschebleichen tun. Der Charakter des Papiers hat im Laufe der Zeit immer wieder gewechselt, so kann man schon anhand der Dicke und Festigkeit des Papiers sagen, aus welcher Zeit etwa der Abzug stammt. Das macht es im Übrigen auch so schwierig, Fotos zu fälschen.

Man muss es nicht fälschen nennen, aber am Computer können heute mit digitalen Daten ganz unterschiedliche Fotos generiert werden. Ein paar Mausklicks genügen, und schon ist eine Person aus dem Bild gelöscht.

Bildmanipulationen gab es zu allen Zeiten, sei es durch Retuschen oder Collagieren usw. Nur sind sie heute sehr viel einfacher möglich als früher. Heute kann man bis zu jedem einzelnen Pixel vordringen. Daher ist mir die analoge Fotografie auch sympathischer: Das analoge Bild ist nicht zerstückelt und wieder aufgebaut wie das digitale. Am meisten begeistert mich ja ein 8 x 10 inch, also ein 20 x 24 cm Kontaktabzug; man nimmt ein Negativ dieser Größe, legt es direkt auf ein Fotopapier - deshalb der Name Kontaktabzug -, darauf eine Glasplatte, schaltet kurz eine Glühbirne ein und hat ein belichtetes Blatt, das nur mehr entwickelt werden muss. Die Schärfe ist voll erhalten, wie bei Fotos aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Denken Sie etwa an Westons "Paprika". Man kann hier gleichsam miterleben, was der Fotograf auf seiner Mattscheibe gesehen hat, denn wir sehen genau das. Faszinierend!

Zur Person

Fritz Simak, geboren 1955 in Wien, studierte Musik (Trompete) und Kunstgeschichte (Dissertation: "Der Photograph Ernst Haas"). Er lebt als Fotograf, Sammler und Ausstellungskurator in Wien. 2008 gründete er mit An-dra Spallart "SPUTNIK – Photographic Projects", bestehend aus ihrer beider Sammlungen.
www.sputnik.at