Nigerianer widerspricht gängigem Bild von Terroristen. | Nairobi/Abuja. (dpa) Der Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab ist in den USA jetzt offiziell wegen des versuchten Anschlags auf eine US-Passagiermaschine angeklagt worden. Dem 23-Jährigen wird unter anderem versuchter Mord in 289 Fällen vorgeworfen, ihm driht lebenslange Haft.
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Zu den Unterprivilegierten, die aus Protest gegen soziale Ungerechtigkeit zur Waffe greifen, hat der Angeklagte freilich nie gehört. Hunger und Armut kannte der Sohn eines der bekanntesten Bankiers aus Nigeria nicht. Er wuchs vielmehr behütet und privilegiert auf. Wie viele reiche Familien in dem afrikanischen Land wollte auch der ehemalige Minister Umaru Aljhaji Abdulmutallab seinen Sohn nicht dem nationalen Bildungssystem anvertrauen. Der junge Umar besuchte deshalb die britische Schule in Togo, studierte später in London Ingenieurswesen. In der britischen Metropole besitzt seine Familie ein Haus - teure WG-Zimmer oder die Suche nach einem Platz im Wohnheim waren nicht die Sorgen des jungen Nigerianers.
Schul- und Studienfreunde beschreiben Abdulmutallab als freundlich, fromm und schüchtern. Frauen habe er nicht in die Augen gesehen oder ihnen auch nur die Hand gegeben.
Doch religiöser Extremismus fiel den Altersgenossen an Abdulmutallab, der gelegentlich auch in seiner Heimatstadt Katsina in einem islamischen Zentrum predigte, nicht auf. Er habe das Geld, das er vom Vater erhielt, vor allem in den Kauf religiöser Bücher investiert, berichteten Studienkollegen. Aber als Prediger habe sich Abdulmutallab, der in Blogs über Einsamkeit klagte, nur mit Religion im Alltag oder mit moralischen Fragen beschäftigt. Von Politik sei nie die Rede gewesen.
Manches deutet darauf hin, dass sich der junge Afrikaner auch unter den reichen jungen Leuten in Nigeria isoliert fühlte. In den Semesterferien machen die im Ausland studierenden Kinder reicher Nigerianer gerne die Clubs und Diskotheken der Wirtschaftsmetropole Lagos unsicher. Wenn getrunken, getanzt und geflirtet wurde, war Abulmuttalah nie dabei, erzählen seine Altersgenossen nun.
Dass sich die Frömmigkeit in religiösen Fanatismus zu wandeln drohte, muss zumindest der Vater geahnt haben. Unklar ist, ob der Verdacht erst aufkam, als Abdulmutallab in den Jemen reiste. Angeblich wollte er seine Arabischkenntnisse verbessern. Aus dem Jemen stammt auch eine der Ehefrauen von Abdulmutallab Senior. Doch bei der dortigen Verwandtschaft meldete sich Abdulmutallab nicht, Anrufe und E-Mails der Familie blieben unbeantwortet.