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Fronleichnamsprogramm

Von David Axmann

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Eines der großen österreichischen Welträtsel ist die Programmgestaltung des ORF. Angeblich beruht sie ja auf

einem halbmystischen Logarithmensystem, das ein mit Herzmanovsky-Orlando weitschichtig verwandter Diplomingenieur aus Linz entwickelt hat und dessen codierte Tafeln in dem Höhlenlabyrinth unterm Küniglberg gelagert sind.

Am Fronleichnamstag jedenfalls wurde auf so anschauliche wie exemplarische Weise deutlich, dass dem Fernsehen nichts Menschliches noch Christliches fremd ist. ORF 1 nahm in geradezu provokanter Art auf den Feiertagscharakter keinerlei Rücksicht, füllte den Nachmittag mit Komödien und den Abend mit Thrillern aus, allesamt amerikanischer Provenienz. ORF 2 hingegen stand sowohl unter dem Motto "Kontrast - das passt" als auch unter dem selbst auferlegten Anspruch, dem göttlichen Körperbewusstsein (wie man Fronleichnam ins Neuflottdeutsche übersetzen könnte) ein paar Sendeplätzchen einzuräumen. Das gelang am Vormittag mit dem abrupten Übergang von Nikolaus Harnoncourt (und dem Chamber Orchestra of Europe) zu Franz Antel (und dessen Lustspiel "Das ist die Liebe der Matrosen") noch nicht ganz perfekt. Das Abendprogramm jedoch erwies sich als begnadeter Volltreffer: Auf die im tiefkatholischen Bayern angesiedelten "Weißblauen Geschichten" folgte Michael Hanekes Filmdrama "Die Klavierspielerin", in dem es der Seele an die Nieren und dem Leib durch Mark und Bein geht.

Wie wird das erst zu Mariä Himmelfahrt sein?