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Frontalunterricht kann besser sein als offenes Lernen

Von Brigitte Pechar

Politik

Bildungsökonom Guido Schwerdt: Alternativer Unterricht nicht immer gut.


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Wien. Der reine Frontalunterricht soll aus den Schulen verbannt werden. Das forderte Bundesschulsprecher Felix Wagner von der ÖVP-nahen Schülerunion am Donnerstag. Anlass dafür war eine Umfrage der Bundesschülervertretung (BSV): Der zufolge halten 87 Prozent der Schüler den Lehrstoff für sinnlos; rund 50 Prozent fühlen sich durch den Schulalltag demotiviert. Das sei ein "dringendes Warnsignal", sagte Wagner. Die Lösung aus seiner Sicht: die Einführung eines Modulsystems in der Oberstufe und das Aus für Frontalunterricht.

Da nur vier von zehn Schülern angeben, aus reinem Frontalunterricht in der Schule viel mitzunehmen, tritt die BSV für einen verstärkten Einsatz von Projekt- beziehungsweise fächerübergreifendem Unterricht ein.

Frontalunterricht hat positive Effekte auf Ergebnis

Der deutsche Bildungsökonom Guido Schwerdt hat in einer Studie zum Frontalunterricht - gemeinsam mit Amelie Wuppermann - allerdings andere Erkenntnisse erhalten. Demnach hat Frontalunterricht im Mittel einen positiven Effekt. Wenn ein mittlerer Lehrer bei mittleren Schülern mehr Frontalunterricht einsetze, habe das leistungssteigernde Effekte, erklärt Schwerdt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Schwerdt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ifo München (Institut für Wirtschaftsforschung) im Bereich Humankapital und Innovation. Der Studie wurden Bildungs-Daten und Daten aus Timss (Trends in International Mathematics and Science Study) zugrunde gelegt und ein Zusammenhang zwischen der Zeit, die ein Lehrer Frontalunterricht hält und dem Abschneiden bei den Leistungsstandards hergestellt. Darin zeigt sich, dass sowohl leistungsstärkere als auch leistungsschwächere Schüler im Mittel besser bei Tests abschneiden, wenn ein Lehrer Frontalunterricht eingesetzt hat. "Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass Frontalunterricht per se besser ist als alternative Unterrichtsformen", erklärte Schwerdt.

Zu wenige gut ausgebildete Lehrer für offenes Lernen

Denn wenn man alternative Unterrichtsformen wie etwa offenes Lernen perfekt implementiere, seien diese eventuell effektiver als Frontalunterricht. Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass Frontalunterricht von einem durchschnittlichen Lehrer erbracht besser ist als alternative Unterrichtsformen schlecht angewandt. Aber: "Frontalunterricht kann durchaus auch schlechter sein, wenn alternativer Unterricht gut umgesetzt wird", sagt Schwerdt. Es gebe jedenfalls keine Evidenz dafür, dass eine weitere Abkehr vom Frontalunterricht, wie das in Deutschland aber auch in Österreich der Fall ist, bei den Schülern bessere Ergebnisse liefert.

Da seien keine leistungssteigernden Effekte mehr zu erzielen - es könnte eher das Gegenteil eintreten. Denn es gebe einerseits zu wenig Unterstützung für Lehrer, damit diese alternative Methoden besser anwenden könnten und andererseits wüssten mittelmäßige Lehrer auch nicht, diese neuen Unterrichtsformen richtig anzuwenden.

Keinesfalls will Schwerdt die Studie aber als Plädoyer für eine generelle Rückkehr zum Frontalunterricht verstanden wissen, wie er betonte.