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Neue Agentur für Küsten- und Grenzschutzwache soll selbst Rückführungen durchführen.
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Brüssel/Straßburg. Die EU-Kommission will einen Neustart in Sachen Küstenwache und Schutz der EU-Außengrenzen wagen. Heute, Dienstag, werden die 28 Kommissare in Straßburg über den Plan abstimmen, Frontex durch eine neue "Europäische Agentur für Küsten- und Grenzschutzwache" zu ersetzen.
Aus EU-Kreisen heißt es, die Agentur solle über eigene Ressourcen, also Material und Personal, verfügen und daher nicht mehr wie Frontex auf die Mitgliedstaaten angewiesen sein. Frontex hat, wie am Wochenende berichtet, von den Mitgliedstaaten bisher nur rund 450 von insgesamt 800 angeforderten zusätzlichen Grenzbeamten zugewiesen bekommen. Für die neue Agentur sollen künftig knapp 1000 Vollzeit-Kräfte arbeiten; bei Frontex sind es derzeit lediglich 400 - die wahrscheinlich von der neuen Agentur übernommen werden. Zusätzlich sollen mindestens 1500 Einsatzkräfte nationaler Grenzschutz-Behörden auf Reserve zur Verfügung stehen und im Notfall innerhalb weniger Stunden einsatzfähig sein. Zudem soll das Budget verdoppelt werden. Die Agentur, die per Verordnung umgesetzt werden soll, wird wie auch Frontex unter der Aufsicht der EU-Kommission stehen.
Insgesamt werden die Kompetenzen dieser neuen Agentur deutlich weitreichender sein, als das bisher bei Frontex der Fall war. Laut Insidern wird die neue Agentur nicht nur befugt sein, eigenständig Such- und Rettungsmaßnahmen durchzuführen, sondern auch selbst Rückführungen vornehmen können. Für nicht anerkannte Flüchtlinge soll es demnach ein eigenes europäisches Rückführungsdokument geben, das Teil der Rücknahmeverträge mit Drittstaaten wird.
Anscheinend will die EU-Kommission nun Rat und Europaparlament bitten, den neuen Plan im Eilverfahren durchzuwinken. Wie lange es dauern könnte, bis die neue Verordnung umgesetzt wird, ist unklar. Sicher ist, dass sowohl EU-Parlament als auch Ministerrat, also die 28 Innenminister der Mitgliedstaaten, zustimmen müssen. Im Ministerrat braucht es dafür eine einfache Mehrheit.
Die Idee sei, etwas Neues zu schaffen, das einen einheitlichen Zugang ermöglicht und die Mitgliedstaaten entlastet, heißt es aus EU-Kreisen. Ein Eurosur-Handbuch soll Aufschluss darüber geben, wie die neue Agentur und die Mitgliedstaaten in Zukunft verfahren werden. Eurosur (European Boarder Surveillance System) ist das Europäische Grenzüberwachungssystem, mit dem illegale Einwanderung mittels Drohnen, Satelliten und Ähnlichem beobachtet wird.
Europäisierung stößt auf Widerstand
Bisher waren Länder an den EU-Außengrenzen wie Italien und Griechenland besonders belastet, die dortigen Behörden sind seit Jahren überfordert. Sie schaffen es nicht, "eine wirksame und vollumfassende Grenzsicherung zu garantieren", schreibt die EU-Kommission in dem Papier, das nun in Straßburg präsentiert werden soll. Drittstaatenangehörige haben "die Außengrenzen der EU illegal überquert" und ihre Reise innerhalb der EU fortgesetzt, ohne je registriert oder kontrolliert worden zu sein.
Heuer ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte in die EU auf einem Allzeithoch: Laut Kommission sind bis Ende November rund 1,5 Millionen Menschen illegal eingereist. Das sind mehr als im gesamten Zeitraum von 2009 bis 2014 - in diesen sechs Jahren waren es 813.044 gewesen. Dass der Plan für eine neue Grenzschutzagentur bei den Mitgliedstaaten auf flächendeckende Zustimmung stößt, ist dennoch zu bezweifeln. Zwar begrüßen Frankreich und Deutschland die Zentralisierungsbestrebungen innerhalb der EU, auch Österreichs Kanzler Werner Faymann spricht sich für die Europäisierung der Grenzschutzpolitik aus. Doch vielen dürfte das Vorhaben zu weit gehen.
Polen hat seiner Abneigung gegen eine Ausweitung der EU-Kompetenzen beim Grenzschutz bereits Luft gemacht. Auch Italien und Griechenland reagierten reserviert. Vor allem der Plan, dass die neue Agentur unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen den Willen oder die Aufforderung des betreffenden Mitgliedstaates an dessen Außengrenzen eingreifen kann, stößt auf Widerstand. Das wäre ein weitreichender Eingriff in die nationalen Hoheitsrechte. Es bleibt abzuwarten, wie die EU-Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag auf den Vorschlag der Kommission reagieren werden.