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Iraks Ex-Premier Allawi wirft USA beim Kampf gegen radikale Kräfte Ignoranz vor.
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"Wiener Zeitung": Al-Kaida ist derzeit wieder in aller Munde, obwohl es beim Abzug der US-Truppen Ende 2011 hieß, dass die Gefahr durch Terrororganisation im Irak gebannt sei.Ijad Allawi: Nicht Al-Kaida trägt die Verantwortung für den zunehmenden Terror. Es sind extremistische Kräfte, und dabei handelt es sich nicht alleine um Al-Kaida. Momentan lässt die Politik der USA und der internationalen Gemeinschaft diese extremistischen Kräfte immer mächtiger werden. Sie sind inzwischen Teil des Alltags in Nordafrika geworden, etwa im Sudan. Im Jemen gibt es täglich Zwischenfälle mit extremistischen Kräften. Ich weiß ganz genau, in der Zeit, als ich Premierminister im Irak war, hatten wir nicht einen einzigen Iraker, der Mitglied der vom Jordanier Abu Musab al-Sarkawi geführten Al-Kaida war. Es waren alles Nicht-Iraker. Heute sind es lauter Iraker, die den Terrororganisationen angehören.
Wie kam es dazu?
Das gesamte Umfeld, das hier im Nahen und Mittleren Osten entstanden ist, ist fruchtbar für das Anwachsen radikaler Kräfte. Hinzu kommt die Art und Weise, wie der Iran in der Region operiert. All dies erscheint wie ein absurdes Theater.
Wie sollte man dem begegnen?
Ich habe schon in meiner Amtszeit eine globale Strategie gegen die extremistischen Kräfte, wie ich sie nenne, gefordert. Aber die Amerikaner wollten nicht darauf eingehen. Wenn du ihnen freundliche Ratschläge gibst, sehen sie dich als Feind. Eigentlich sollten alle sich hinsetzen und darüber nachdenken, wie es möglich ist, dass zehn Jahre nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein uniformierte Leute in ein so wichtiges Ministerium wie das Justizministerium in Bagdad eindringen und das Gebäude in die Luft jagen. Das ist ja neulich geschehen.
Wie erklären Sie sich das?
Durch die Apathie der irakischen Politik, durch die Heuchelei der internationalen Gemeinschaft, die sich damit brüstet, einen Diktator nach dem anderen zu stürzen. Und was kommt danach? Nehmen Sie die Beispiele Irak, Libyen und Ägypten. Plötzlich herrscht dann Verständnislosigkeit darüber, dass extremistische Kräfte zutage treten. Die Frage muss doch lauten, wie man das Umfeld verbessern kann, damit die Menschen nicht in die Hände dieser Kräfte fallen. Man muss Verständnis für ihre Forderungen und für ihre Kultur aufbringen. Und vor allem geht es um eine gerechtere Verteilung der Ressourcen. Doch darum kümmert sich niemand.
Ijad Allawi war von 2004 bis 2005 der erste Premier des Iraks nach dem Sturz Saddam Husseins. In seiner Amtszeit befehligte er Militäroperationen gegen die sunnitische Al-Kaida in Falludscha und gegen schiitische Milizen in Nadjaf. Heute führt er das überkonfessionelle Bündnis Irakija an.