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Früh fördern statt nachträglich schulen oder sogar strafen

Von Isabella Zins

Gastkommentare
Isabella Zins ist Direktorin am BORG Mistelbach sowie stellvertretende Vorsitzende der Bildungsplattform Leistung & Vielfalt (bildungsplattform.or.at). Außerdem ist sie Stadträtin für Umweltschutz und Umweltangelegenheiten der Stadtgemeinde Laa/Thaya.

Die Bildungspläne der Bundesregierung sind ein guter Ansatz. | Es bedarf nun weitreichender Maßnahmen, um sie sinnvoll umzusetzen.


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Die Regierungspläne zur "Ausbildungsgarantie bis 18 Jahre" sind grundsätzlich lobenswert. Doch der enorme Aufwand, der zwischen 15 und 18 Jahren nötig ist, könnte in vielen Fällen deutlich reduziert werden, würde man schon viel früher investieren.

Auch wenn in Österreich relativ wenige junge Menschen zwischen 16 und 24 Jahren ohne Lehr- oder Schulabschluss dastehen (6,5 Prozent in Österreich, 13,2 Prozent im EU-Durchschnitt), weil unser vielfältiges Schulsystem vieles abfedert, ist jede/r Einzelne zu viel! Meine Forderung an die Politik: Wunde Punkte aufspüren und dort reformieren, wo statistische Daten (Statistik Austria, OECD, Eurostat) darauf hinweisen.

Ein mehrfach höheres Risiko für "Drop-out" besteht bei im Ausland geborenen Jugendlichen, vor allem Mädchen (hier wiederum bei den in der Türkei geborenen). Möglichst früh einsetzende und so lange wie notwendig begleitende (Sprach-)Förderung würde gegensteuern helfen.

Risikoschüler sind auch jene, die nach neun Jahren Schulpflicht die Mindeststandards in Deutsch, Mathematik und Englisch nicht erfüllen.

Die Erfüllung der Schulpflicht darf - eventuell nach verlängerter Schulzeit - nur jenen bescheinigt werden, die die Basics beherrschen ("mittlere Reife") und damit reelle Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben. (Das wäre wohl sinnvoller, als Firmen zur Aufnahme von "unreifen" Lehrlingen zu zwingen.)

Was kaum jemand realisiert: Die Hälfte der "Drop-outs" bricht in Österreich eine Lehre/Berufsschule (übrigens die Schule mit dem geringsten Prozentsatz von Migranten!) ab, meist nicht (nur) wegen Defiziten in der Schulbildung, sondern weil es ihnen an Arbeitshaltung, Leistungsbereitschaft und guten Umgangsformen mangelt. Sinnvoll gegensteuern müsste die Politik durch Maßnahmen, die Eltern und Pädagogen vom Kindergarten an zu Erziehungspartnern macht, wobei Anreiz besser ist als Bestrafung.

Zu Schulabbrechern werden manchmal auch Oberstufenschüler. Immerhin 60 Prozent eines Jahrgangs besuchen höhere Schulen, einige davon wechseln dazwischen den Schultyp (AHS-BHS) und haben dabei Erfolg. Manche scheitern, weil der Staat kein pädagogisches Unterstützungspersonal bereitstellt und sie beim Nach- beziehungsweise Umlernen allein überfordert sind. Einzelne positive Ansätze wie die seit dem Vorjahr an den höheren Schulen tätigen Caritas-Jugendcoaches, die Jugendliche beim Aus- oder Umstieg beziehungsweise Berufseinstieg beraten, sind Schritte in die richtige Richtung. Zeitgerecht individuelles Unterstützungspersonal einzusetzen wäre jedenfalls sinnvoller, als im Nachhinein eigene Auffang-Institutionen für "Drop-outs" zu schaffen.

Wichtig ist vor allem, von Schuldzuweisungen wegzukommen. Eltern, Schule und Wirtschaft sind gemeinsam gefordert und können in ihren Bemühungen nur erfolgreich sein, wenn die Politik die nötigen Rahmenbedingungen schafft, damit niemand aus dem System fällt und möglichst alle bis 20 Jahre einen Schul- oder Lehrabschluss schaffen.