Neues OGH-Urteil verschärft die gesetzlichen Vorgaben für Personalabbau.
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Für sogenannte "Massenkündigungen" im Sinne des § 45a Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) gelten besondere gesetzliche Vorschriften. Ein Verstoß kann für das Unternehmen teuer werden, denn in diesem Fall sind die Kündigungen unwirksam. Die gekündigten Arbeitnehmer haben also weiterhin Anspruch auf ihr Gehalt.
Es müssen nicht viele Arbeitnehmer betroffen sein, damit eine "Massenkündigung" vorliegt. Bereits die Beendigung von fünf Arbeitsverhältnissen kann hierfür ausreichen, wenn es sich um 50-Jährige oder ältere Arbeitnehmer handelt. In Betrieben mit mehr als 20 und weniger als 100 Beschäftigten genügen fünf Arbeitnehmer ungeachtet ihres Alters. Für größere Betriebe gelten höhere Schwellenwerte.
Eine Voraussetzung für das Vorliegen einer "Massenkündigung" ist, dass die Beendigungen innerhalb von 30 Tagen erfolgen sollen. Maßgeblich ist hierfür der Ausspruch der Kündigung und nicht das Ende des Arbeitsverhältnisses. Nach gefestigter Judikatur sind auch vom Arbeitgeber veranlasste einvernehmliche Beendigungen auf den Schwellenwert anzurechnen. Nicht mitzu-zählen sind hingegen Arbeitnehmerkündigungen (zum Beispiel wegen Pensionsantritt) oder (gerechtfertigte) Entlassungen.
Nach dem "Frühwarnsystem" haben Arbeitgeber eine beabsichtigte Massenkündigung mindestens 30 Tage vor Ausspruch der ersten Kündigung beziehungsweise vor der ersten Beendigungsvereinbarung dem AMS zu melden. Diese Meldung soll das AMS in die Lage versetzen, den Betroffenen rasch einen neuen Arbeitsplatz zu vermitteln oder die Kündigungen allenfalls durch Gewährung von Förderungen überhaupt zu vermeiden. In der Meldung sind demnach zahlreiche Angaben zu den betroffenen Arbeitnehmern zu machen, wie etwa über Zahl, Verwendung, Alter, Geschlecht, Qualifikation und Dienstalter. Auch über die Gründe für den geplanten Personalabbau und allfällige "flankierende soziale Maßnahmen" (Sozialplan) ist zu informieren. Für diese Mel-dung stellt das AMS ein Formular bereit (www.ams.at).
Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, so ist auch dieser von der geplanten Massenkündigung zu verständigen (§ 109 Arbeitsverfassungsgesetz). Diese Verständigung hat schriftlich zu erfolgen und ist gegenüber dem AMS gleichzeitig mit der Meldung nachzuweisen. Umgekehrt ist dem Betriebsrat auch eine Kopie der Anzeige an das AMS zu übermitteln. Inhaltlich hat die Information an den Betriebsrat fast idente Angaben zu enthalten wie die Meldung an das AMS.
Der Betriebsrat kann eine Beratung mit dem Arbeitgeber über den geplanten Abbau von Mitarbeitern verlangen und hierfür auch Sachverständige beiziehen. In der Praxis verlangt der Betriebsrat regelmäßig den Abschluss eines Sozialplans, der allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen gerichtlich erzwungen werden kann. Im aktuellen Fall (9 ObA 119/17s) lag der Schwellenwert bei höchstens sieben Arbeitnehmern. Ebenso vielen Arbeitnehmern bot der Arbeitgeber wegen einer Reorganisation die einvernehmliche Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses an. Bei Annahme dieses Angebots innerhalb von längstens 21 Tagen winkte zusätzlich zu einer freiwilligen Abfertigung auch ein "Frühabschlussbonus". Für den OGH hatte der Arbeitgeber dadurch seine Absicht manifestiert, sieben Arbeitsverhältnisse innerhalb von weniger als 30 Tagen aufzulösen. Damit sei aber der Schwellenwert jedenfalls überschritten worden, auch wenn in der Folge tatsächlich weniger Arbeitsverhältnisse beendet werden.
Für Unternehmen bedeutet diese Entscheidung, dass sie den Ablauf eines betriebsbedingten Personalabbaus sehr genau planen müssen. Sollte eine Überschreitung des relevanten Schwellenwertes zumindest möglich sein, so ist die vorsorgliche Verständigung des AMS zu empfehlen. Wenn der Arbeitgeber dies jedoch wegen der damit eventuell verbundenen negativen Publicity vermeiden will, muss insbesondere ein genauer Zeitplan erstellt werden. Nach der Judikatur kann nämlich durch zeitliche "Streuung" der Beendigungen die Pflicht zur Verständigung des AMS umgangen werden. In diesem Fall werden die relevanten Beendigungen in mehreren Tranchen vorgenommen, sodass innerhalb eines ständig wandernden "30-Tage-Fensters" der Schwellenwert nicht überschritten wird. Die Unternehmen haben dabei bislang ausschließlich auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs sowie des Abschlusses der Beendigungsvereinbarungen Bedacht genommen.
Nach der aktuellen Entscheidung ist hingegen auch zu berücksichtigen, welche Absichten der Arbeitgeber in diesem Zusammenhang verfolgt. Als Manifestation der Beendigungsabsicht des Arbeitgebers ist insbesondere die Verständigung des Betriebsrats über geplante Kündigungen (§ 105 Arbeitsverfassungsgesetz) zu werten. Es könnte für die Gerichte aber auch eine Information des Arbeitgebers über eine Reorganisation und den dadurch bedingten Personalabbau im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung ausreichen, um das Frühwarnsystem auszulösen. Arbeitgeber sind daher gut beraten, die einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen.