Zum Hauptinhalt springen

Früher gegen Tabak, jetzt gegen die Krise

Von WZ-Korrespondent Günther Bading

Politik

Fünf Minister ausgetauscht. | Indirekte Kritik an scheidendem Solbes. | Madrid. Knapp ein Jahr nach seiner Wiederwahl hat Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero sein Kabinett umgestaltet. Fünf der 17 Minister wurden ersetzt, darunter auch Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister Pedro Solbes. Seine Ablösung mitten in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes stößt bei vielen auf Unverständnis, vor allem, weil seine Nachfolgerin Elena Salgado als unerfahren auf dem Gebiet gilt, auf dem sich Solbes zweimal als Minister in Spanien und vor allem als EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung internationale Anerkennung erworben hat. Zapatero kündigte ein neues "Modell" wirtschaftlichen Wachstums an, blieb aber Einzelheiten schuldig.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zapatero holte den Ministerpräsidenten von Andalusien, Manuel Chaves, nach Madrid. Chaves war 19 Jahre Regierungschef in Spaniens größter und südlichster "Autonomie" (entsprechend einem Bundesland). Er ist Präsident der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE), ein Repräsentationsposten, denn die eigentliche Parteigewalt liegt beim Generalsekretär (Zapatero) und dessen Vize José Blanco. Auch der ist jetzt ins Kabinett geholt worden, als Bauminister. Chaves wird dritter Vize-Regierungschef. Zweite Vize ist Wirtschafts- und Finanzministerin Salgado, die erste Vize-Chefin und rechte Hand Zapateros, Maria Teresa Fernandez de la Vega, bleibt. Auch Trinidad Jimenez, neue Ministerin für Gesundheit und Soziales, gehört dem inneren Kreis der Parteiführung an. Die beiden weiteren Neuen sind Angeles Gonzalez-Sinde als Kulturministerin und Angel Gabilondo als Bildungsminister.

Zapatero lobte zwar die Arbeit des ausscheidenden, schon lange als amtsmüde geltenden Wirtschafts- und Finanzministers Pedro Solbes. In seiner Begründung für die Berufung der 59-Jährigen klang aber zwischen den Zeilen Kritik an Solbes mit. Er habe Salgado wegen ihrer Effizienz geholt, die sie als Gesundheitsministerin und bis zuletzt als Ministerin für öffentliche Verwaltung bewiesen habe. Denn in der Krise komme es jetzt darauf an, nicht nur Programme zu erarbeiten und zu billigen, sondern auch, sie umzusetzen. Eine deutliche Kritik an Solbes, dem von Kritikern Untätigkeit nachgesagt wurde.

Weitgehend unbekannt

Salgado habe außerdem eine "weite Vision", sie sei in der Lage, das ganze Spektrum ihrer Aufgabe und ihrer Verantwortung für die Regierung wahrzunehmen. Zwischen Regierungschef und Vize Solbes war es hinter den Kulissen zu Streit gekommen, weil Solbes nicht noch mehr als die bisher 70 Milliarden Euro an Konjunkturprogrammen ausgeben wollte.

Die neue Chefin des Wirtschafts- und Finanzressorts ist der breiten spanischen Öffentlichkeit kaum bekannt, obwohl sie seit 2004 Ministerin bei Zapatero ist. In jüngsten Umfragen gaben nur 52 Prozent der Spanier an, sie überhaupt zu kennen. Und das, obwohl sie als Gesundheitsministerin ein sehr umstrittenes Gesetz auf den Weg gebracht hatte: das Tabak-Gesetz, das in Spanien eher als ein Antiraucher- als ein Nichtraucherschutz-Gesetz empfunden wird. Als Salgado dann auch noch das Weintrinken unter Kontrolle des Staates bringen wollte, brachte sie neben der Lobby aller Winzer auch die Masse der Bevölkerung gegen sich auf. Damals habe sie an Rücktritt gedacht, bekannte sie einmal. Gerettet wurde sie durch Zapatero, der ihr nach seinem Wahlsieg 2008 das Amt des Ministers für öffentliche Verwaltung gab, zuständig für Regionen- und Provinzangelegenheiten.