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Wer gegen die Deutschen spielt, ist unser Freund. Vorübergehend zumindest. Und keine voreiligen Schlüsse!
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Das hätts früher nicht gegeben. Dass nämlich eine gefühlte Mehrheit der Österreicher der Türkei im Duell mit Deutschland die Daumen gedrückt hat.
Beobachter, die dieses Stimmungsbild überrascht, sollten daraus allerdings nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass der durchschnittliche Österreicher Türken als besonders sympathische Nation empfindet. Diese behalten lediglich im direkten Vergleich mit den Deutschen die Nase vorn. Also alles paletti mit einem EU-Beitritt der Türkei? Sicher nicht.
Man muss es mit der Solidarisierung ja nicht gleich übertreiben. Wir haben die Türken nur ein klein bisschen weniger nicht lieb, das ist auch schon alles. Und die paar Punkte, die wir mit unsrerer Sympathieverteilung im Fußball - quasi im Vorbeigehen - auf der Skala der politischen Korrektheit sammeln können, nehmen wir natürlich auch gerne mit. Passiert uns ansonsten ja doch eher selten.
Für unsere nördlichen Nachbarn ist diese brüske emotionale Zurückweisung durch uns, die kleinen Brüder, sicherlich ein harter Schlag in die Magengrube, wollen sie doch in ihrem tiefsten Inneren nur eines: Dass wir sie ebenso lieb haben wie sie uns. Doch darauf können sie noch lange warten.
Warum das alles so ist, ist eine gute Frage. Immerhin gab es sogar einmal ein ganzes, wenn auch kleines politisches Lager, das sich auf die deutsche Nationalität der Österreicher als Existenzgrundlage berief. Die Frage lässt sich nur unmöglich auf dem hier zur Verfügung stehenden Platz beantworten. Deshalb sei auf das berühmte Diktum eines Zynikers verwiesen, nachdem sieben gemeinsame Jahre gereicht hätten, den Österreichern ihre jahrhundertealte Sehnsucht, deutsch und Deutsche zu sein, gründlich auszutreiben. (Als österreichischer Teenager auf Sprachurlaub in Südengland während der 80er Jahre konnte man sich übrigens mit dem Hinweis "Austrian, not German" den von einheimischen Jugendlichen angedrohten Prügeln elegant entziehen. Ob die deutschen Kids sich als Österreicher ausgaben und damit auch durchkamen, ist nicht überliefert.)
Übrigens sind die Österreicher mit ihrer Gefühlslage gegenüber den Deutschen längst nicht alleine: Man bewundert, respektiert und manchmal fürchtet man sie auch - nur mögen tut sie halt fast keiner.
Die Deutschen wiederum können mit dieser Rolle ganz gut leben. Ihnen reicht der Erfolg als emotionale Bestätigung. Wer sie wirklich treffen möchte, begegnet ihnen mit Mitleid. Aber dazu ist ihr Fußball wiederum viel zu gnadenlos erfolgreich. Meistens zumindest.