Wie sich junge Chefs Respekt verschaffen. | Die fachliche Kompetenz allein reicht nicht. | Mitarbeiter "mit ins Boot nehmen". | Wien. "Was ist nur los mit dir? Du bist gar nicht mehr so nett, seit du unser Abteilungsleiter bist." Die ehemalige Kollegin ist beleidigt. Im Büro weht ein neuer Wind, denn ihr junger Ex-Kumpel wurde befördert und ist jetzt ihr Chef - in dessen Brust wohnen jetzt zwei Seelen.
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Wer vom Kollegen zur Führungskraft mutiert, ist "quasi in sich immer eine gespaltene Persönlichkeit", sagt die Psychologin und systemische Beraterin Dagmar Stanzig. Viele wollen ein angenehmer Kollege oder eine angenehme Kollegin bleiben, aber: "Die Funktion ändert sofort den Menschen. Ab dem Zeitpunkt, an dem man zur Führungskraft wird, sollte man seine idealistischen Vorstellungen ablegen", betont Stanzig.
Everybodys Darling: Das war einmal
Wer als junger Chef nur beliebt sein will und es aus Angst, nicht akzeptiert zu werden, allen recht machen will, begibt sich auf Glatteis. Schließlich gilt es auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen - und dazu zu stehen. "Da muss man durch", sagt Christine Dornaus, 49, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Versicherung AG. Sie wurde 1996 - im Alter von 33 Jahren - von ihrem damaligen Arbeitgeber Kathrein Bank in den erweiterten Vorstand berufen. Vier Jahre später folgte die nächste Führungsposition als stellvertretende Bereichsleiterin in der Wiener Städtischen. Und Dornaus klomm die Karriereleiter weiter nach oben. Was sie jungen Führungspersönlichkeiten in spe auf den Weg mitgeben will: Sie sollten in erster Linie fachliche und soziale Kompetenz vermitteln und nicht mit fixen Vorgaben in die neue Aufgabe reingehen, sondern "die Leute mit ins Boot nehmen".
Was der oder die "Neue" fachlich draufhat, wird von den Mitarbeitern besonders getestet, bestätigt auch Alexander Frech, 32, seit November des Vorjahres neuer Geschäftsführer von bauMax Österreich. Doch das ist nicht alles. Frech: "Selbstreflektiertes Handeln und Empathie sind die Schlüsselfaktoren, um akzeptiert zu werden, auch wenn die Mitarbeiter deutlich älter sind."
Gar nicht so selten aber werden junge Führungskräfte anfangs von altgedienten Angestellten nicht ernst genommen und im Extremfall sogar sabotiert. Stanzig: "Die muss man sich sofort fassen und ihnen klarmachen: Du bist zwar älter und daher möglicherweise fachlich sogar besser als ich. Aber ich bin hier jetzt der Boss." Die Psychologin rät, in Einzelgesprächen die gegenseitigen Erwartungen festzulegen - und das möglichst zu Beginn.
Was verlange ich von meinen Mitarbeitern? Was bin ich bereit zu geben? - Wer diese Fragen vor dem ersten Meeting mit der Belegschaft für sich beantwortet, wird es leichter haben als jemand, der völlig unbedarft und unvorbereitet in seine neue Rolle als Führungskraft schlüpft. "Man kann schon später noch Korrekturen vornehmen, aber das ist eine ungleich härtere Arbeit", gibt Stanzig zu bedenken.
Mit dem Chefauf ein Bier?
Mit den ehemaligen Kollegen nach Dienstschluss auf ein Bier gehen - geht das dann noch? Stanzig sieht keinen Grund, der dagegen spricht. Doch eines dürfe nicht vergessen werden: Man ist auch im Pub Chef und redet besser nicht schlecht über die Firma. Denn die Funktion als Führungskraft, ist sie einmal festgelegt, verlange, dass man im Sinne des Unternehmens denkt.
In den Köpfen der anderen dauert es meist länger, bis die neue Hierarchie anerkannt wird. Stanzig: "Der Lehrling bleibt immer der Lehrling, auch wenn er jetzt der Chef ist." Hier könne die Geschäftsleitung helfen, indem sie dem "Neuen" Rückendeckung gibt.