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Früherer Schulbeginn ist nur für Hochbegabte gut

Von Heiner Boberski

Politik

Psychologin Spiel für sorgfältige Diagnose der Schulreife. | Elternehrgeiz kann viel kaputtmachen. | Wien. Das kürzlich in Begutachtung gegangene Schulreformpaket II sieht unter anderem die Ausdehnung des "Dispenszeitraums" für noch nicht schulpflichtige Kinder vor. Bisher musste ein Kind, das zu Schulbeginn noch nicht sechs Jahre alt war, noch im gleichen Kalenderjahr - also bis Ende Dezember - das sechste Lebensjahr vollenden, um in die Schule aufgenommen zu werden. In Zukunft genügt es, wenn der sechste Geburtstag in das Schuljahr fällt, es könnten demnach auch knapp Fünfjährige mit der Volksschule beginnen.


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Die Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel, die der Zukunftskommission des Bildungsministeriums angehörte, sieht mit dieser Reform keine spezielle Forderung der Zukunftskommission verwirklicht: "Was wir gefordert haben, war, dass jede und jeder nach ihren oder seinen Begabungen gefördert werden soll." Es handle sich auch um keine Maßnahme, die der Qualität des Unterrichts diene.

Neugier und Interesse

"Wichtig ist in solchen Fällen eine wirklich gute Diagnostik", sagt Spiel, derzeit Dekanin der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. Studien zu Früheinschulungen haben ergeben, dass die Ergebnisse nur in wenigen Ausnahmefällen positiv waren, dann nämlich, wenn Kinder schon im Vorschulalter besondere Neugier und besonderes Interesse am Lesen und Schreiben an den Tag legten. "Und zwar selbständig, das ist wesentlich", hebt Spiel hervor. Die Erfahrungen zeigen, dass viele hauptsächlich von ehrgeizigen Eltern angetriebene Kinder nach einer frühen Einschulung früher oder später große Frustrationen erleben mussten.

Für die seltenen wirklich Hochbegabten ist es aber, so Spiel, sicher besser, wenn sie früher in die Schule kommen. Besuchen sie erst mit ihrem Altersjahrgang, dem sie weit voraus sind, die Schule, müssten sie anders als der Durchschnitt beschäftigt werden, weil sie sonst gelangweilt sind, sich nur mit Mühe integrieren und häufig Probleme machen. Ganz entscheidend sei aber, betont Spiel immer wieder, dass eine vorzeitige Schulreife sehr sorgfältig erhoben werden muss.