Weitaus stärker als bisher bekannt gefährden Unterleibsinfektionen während der Schwangerschaft die Gesundheit des Kindes. Infektionen sind auch die Hauptursache von Frühgeburten - diese können wiederum zu kindlichem Tod oder Behinderung führen. Wie nun der Wiener Mediziner Herbert Kiss anhand einer aktuellen Studie beweist, kann mit Hilfe einer einfachen Vorsorgeuntersuchung, durch konsequentes Infektions-Screening in der Schwangerschaft - auch K.I.S.S. genannt -, die Zahl der Frühgeburten um 50 Prozent gesenkt werden.
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Bei der Anzahl der Frühgeburten ist es in den vergangenen Jahren kaum zu Veränderungen gekommen. Nur in Wien liegen dabei die Prozentsätze tendenziell etwas höher. Laut Statistik Austria müssen in Österreich jährlich rund 2.000 "Frühchen" auf einer Intensivstation betreut werden.
Eine vorhandene Vaginalinfektion kann vorzeitige Wehen oder einen vorzeitigen Blasensprung auslösen. Somit ergibt sich für die Mediziner ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den beiden Faktoren. Erkennt man die Infektion rechtzeitig, kann durch gezielte Therapie und Nachsorgeuntersuchung die Frühgeburtenrate signifikant - nämlich um 50 Prozent - reduziert werden, wie Kiss bei der Präsentation seiner Studie erläuterte. Die laut Experten recht einfache Methode nennt sich konsequentes Infektionsscreening.
Die Studie
An der Studie haben 25 niederlassene GynäkologInnen im Großraum Wien mitgearbeitet. Diese haben wiederum bei insgesamt 4.429 Patientinnen im Rahmen der zweiten Mutter-Kind-Pass-Untersuchung ein einfaches Screening nach asymptomatischen vaginalen Infektionen durchgeführt. Das heißt: Allen Schwangeren wurde Vaginalsekret zur Diagnostik abgenommen, das wiederum im Labor einer speziellen Untersuchungsmethode unterzogen wurde.
Untersucht wird der Abstrich auf Pilzinfektionen sowie bakterielle Vaginose und Trichomonas vaginalis. Wobei die beiden letzten Krankheitsbilder für Frühgeburten verantwortlich zeichnen, erklärte Kiss.
Spätestens 48 Stunden danach steht das Ergebnis mit einer "ganz klaren Aussage" zur Verfügung. In Folge kann die Therapie begonnen werden.
Die Frühgeburtsfälle konnten übrigens in allen Gewichtsklassen um 50 Prozent reduziert werden, ebenso die Aborte.
Die Fakten:
Unter allen "Frühchen" mit einem Geburtsgewicht von weniger als 2.500 Gramm waren 34 in der Studiengruppe (Diagnostik und Behandlung) und 70 in der Kontrollgruppe. Bei den sogenannten kleinen Frühgeburten mit weniger als 1.900 Gramm war der Unterschied ebenso signifikant: In der Studiengruppe fanden sich elf, in der Kontrollgruppe 26 Fälle. Bei etwa 20 Prozent aller Schwangeren hatte eine mikroskopisch nachweisbare vaginale Infektion bestanden.
Die Bedeutung der neuen Erkenntnisse ist für den Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH Wien, Peter Husslein, "kaum abschätzbar", wie er bei der Präsentation der Studie anmerkte. Menschliches Leid, emotionelle Belastung, aber auch Kosten können eingespart werden. Die Ergebnisse seien außerdem "so gut, dass man schon bald die Diskussion führen muss, das Infektionsscreening in den Mutter-Kind-Pass aufzunehmen", betonte Husslein.
Gefördert wurde das Projekt vom Fonds Gesundes Österreich sowie vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
K.I.S.S. kann derzeit nur in kleinem Rahmen durchgeführt werden, soll aber nach Wünschen der Mediziner bald der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.