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Frühling -Zeit der "heißen" Eisen

Von Hannes Doblhofer

Wirtschaft

Zwei Räder, dazwischen ein kräftiges Aggregat. Motorradfahren ist Selbsterfahrung, man spürt die Welt, Vibrationen, Energie. Die Rede ist nicht von Raserei, eher von der Leichtigkeit der Fortbewegung, vom sich bewegen im Rhythmus der Kurven und Kuppen, vom Dahingleiten, der Wachheit aller Sinne.


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Das Motorrad erscheint als schierer Luxus. Es mag wenig vernünftige Gründe dafür geben, doch in einer Zeit, wo Vieles sich den Anschein des Rationalen zu geben hat, gewinnt das Irrationale einen unwiderstehlichen Reiz, immer öfter wird Motorrad gefahren.

Viele tun es, - Weißhäupter und Zopfträgerinnen, junge Vierradverweigerer ("Bürgerkäfig"), Individualisten. Manche träumen jahrelang von einer "Maschin".

Der Chef eines Herstellers bringt es auf den Punkt: "Wir verkaufen den Traum von Freiheit. Das Motorrad gibt es als Bonus - gratis noch dazu ...".

Leichtsinn und Vernunft -

Fragen der Sicherheit

Ich fahre das ganze Jahr, denn das Motorrad ist ein vollwertiges Verkehrsmittel. Durchschnittlich einmal pro Saison gehe ich zu Boden, weil Autofahrer unberechnbar agieren, ausscheren, falsch reagieren. In Extremsituationen, wo es noch gerade gut geht und ein geschockter Verkehrspartner "Tschuldigung" beteuert, sag` ich: "Aufpassen, bin ja kein Organspender!".

Das Sein auf zwei Rädern ist nicht ganz einfach, daher vorbeugend:

- Defensiv fahren;

- Auffällige Schutzkleidung tragen;

- Mit allem rechnen;

- Kein Tropfen Alkohol

- Extremsituationen trainieren.

Vor allem zu Saisonbeginn - die Sinne schärfen, ein Motorrad Warm-Up macht fit für sichere und genussvolle Fortbewegung. Die Kosten eines Intensivtrainings betragen nur 65.- Euro ((Informationen: ÖAMTC, ARBÖ, Polizei Wien.)

Vor der ersten Ausfahrt, Check von: Bremsen, Reifen, Beleuchtung und Prüfplakette.

Warnung: Kein "Reparaturpfusch" in Eigenregie.

Unverzichtbar: Passender Helm (kratzfreies Visier), Stiefel, Handschuhe, Nierenschutz, Funktionsbekleidung.

Heißer Ofen, coole Typen - Kleine Typologie der Fahrer

Stahl, Gummi, Sound und Speed, schwerelos auf zwei Rädern. Gefährlich? Raucher haben eine zehnmal höhere Todesrate als Motorradler. Ein Motorrad ist kein Fun-Gerät,

"Es ist ganz einfach", sagt ein Ducati-Fahrer "ma` sucht halt auch a weng was Haptisches ...". Wir brauchen Gefühlserlebnisse, in denen Angst und Sehnsucht ineinander fließen. Überall ist es laut und eng, die Zumutungen des Alltags verlangen nach einer Reaktion.

"Genug, weg, hinaus ...". Auf freier Strecke, die Nase in der Luft, fällt Vieles ab, was bedrückt.

Wer bin ich ? Tourer, Speedfreak, City Cowboy, Gentleman Driver ?

Nach Griechenland auf dem Landweg oder zum Nordkap, alles kein Problem.

Extreme Schräglage, Race-Outfit, brüllender Auspuff, ein Hinterreifen für 1.000 Kilometer, Schädelbasisbruch ? Oder: Fransenjacke, "Born to ride" am Luftfilterdeckel, Chrom - bei Regen fährt er nicht.

Wenn Ersatzteile, Motorräder, Ölkanister und Werkzeug immer mehr Platz in Anspruch und die gesamte Freizeit beim Jagen, Zerlegen und Zubereiten der Beute drauf geht lautet die Diagnose: Jäger und Sammler.

Oder eine Sozia: "Ich habe damit angefangen, weil ich nicht immer hinten sitzen wollte" - immer mehr Frauen fahren Motorrad, mit weniger Risiko, ruhiger, sozialverträglicher als Bartträger.

Motorradfahren - das etwas andere Naturgefühl

Motorrad ist aktive Naturerfahrung, der Soziologe Gerold Lignau notiert: "Während sich Autoinsassen die Hälse verrenken müssen um unterwegs einen Blick in die Höhe werfen zu können, sind Sie auf dem Motorrad unmittelbar von den drei Dimensionen der Berge umgeben. Eine Alpenüberquerung gehört zum Begeisterndsten, wozu Ihnen das Motorrad verhelfen kann."

Man fährt, sieht, hört, reagiert, liest Zeichen, man denkt und erinnert sich, hat Ahnungen, Extatisches wird gespürt, wenn Sache, Seele und Landschaft zur Einheit wird.

Die Beschreibung eine Wanderung bei Novalis mag manche am Motorrad an Erlebtes erinnern: "Wie er wandelte, so veränderte sich auch sein Gemüt, die Zeit wurde ihm lang und die innere Unruhe legte sich, er wurde sanfter und das gewaltige Treiben in ihm allgemach zu einem leisen, aber starken Zuge in den sich sein ganzes Gemüt auflöste."

Daimlers Vision -

Gedanken eines Erfinders

Gottlieb Daimler war erfolgreich. Er hat seine Kraft der Frage gewidmet, was beweglich macht, und sah im Motorrad die optimale Verkörperung der Idee der Beweglichkeit. Er selbst hat das Motorrad als sein Bestes begriffen.

In den 1970er Jahren tauchte ein Buch des amerikanischen Chemikers und Philosophen R. Pirsig auf : "Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten" eine Bibel der Biker, ein Bestseller, damals. Der oft unterschlagene Untertitel: "Ein Versuch über Werte".

Im Sattel seiner Honda erinnert er sich an die Sackgasse der Wissenschaft: die Rationalität des Denkens. Es folgen Krise und Isolation.

Das Motorradfahren wird für ihn zur Kur, zur inneren Einkehr. Der evangelische Pfarrer Jochen Wagner, erzählt, dass es ihm gelingt, sich auf dem "Hobel" zu sammeln. "Man wird geistesgegenwärtig, man muss nichts mehr tun, als im Augenblick zu leben "- also zu fahren". Technik - als göttliches Gebilde, als Teil der Schöpfung - sagt Pirsig. Technikfeindlichkeit, als Absage an das Leben.

Beschleunigung und Geschwindigkeit waren im antiken Weltbild den Göttern allein vorbehalten. Eine Drehung am Gasgriff und man fühlt sich sozusagen, in metaphysische Dimensionen katapultiert.

Literaturempfehlungen:

B. Spiegel: "Die obere Hälfte des Motorrads" -- Über die Einheit von Fahrer und Maschine. Motorbuch-Verlag.

R. Pirsig: "Zen - und die Kunst ein Motorrad zu warten". Fischer.

M. Holfelder: "Motorradfahren - Kleine Philosophie der Passionen". dtv.