Experten sind zuversichtlich: Starke Niederschläge in den Monaten April und Mai stärkten die Wälder für den Sommer.
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Ginge es nach Österreichs Wäldern, würde das ideale Jahr mit viel winterlichem Schnee beginnen. Der würde dann im Frühling langsam abtauen und sein Wasser nach und nach in die Böden abgeben, wodurch eine nährende Grundfeuchtigkeit im Erdreich entstünde. Dann sollte ein am besten kühles Frühjahr mit hohen Niederschlagsmengen folgen, die nicht als Unwetter, sondern als gemäßigter Dauerregen herabfallen. Und danach sollte der Sommer keine allzu ausgedehnten Trockenperioden bringen, zumal lange Hochs die Schädlingsentwicklung beschleunigen und die Widerstandsfähigkeit der Bäume verringern. Das wäre der Idealfall für Österreichs Wälder und ihre Gesundheit.
Somit sind April und Mai 2023 den Bäumen nur recht. "Dieser Frühling sei einer der 15 niederschlagsreichsten und sonnenscheinärmsten der Messgeschichte", berichtet der nationale Wetterdienst Geosphere Austrian in einer Aussendung. Laut dem Klimatologen Alexander Orlik brachte der Mai um 18 Prozent weniger Sonnenschein und zugleich um 18 Prozent mehr Niederschläge als der Durchschnitt. Der April geht in der seit 1858 vorgenommenen österreichweiten Auswertung als einer der zehn nassesten in die Bücher ein.
Vorangegangen waren jedoch gleich zwei bäumische Probleme: ein schneearmer Winter in hohen wie tiefen Lagen und eine starke Trockenheit zu Jahresbeginn insbesondere im Osten. Stefan Schörghuber, Leiter des Bereiches Wald-Naturraum-Nachhaltigkeit der Österreichischen Bundesforste, die ein Zehntel der Staatsfläche mit Laub-, Nadel und Mischwäldern bewirtschaften, zeigt sich trotzdem zuversichtlich. "Wir sind mit einem Defizit ins Jahr gestartet. Allerdings hat sich das System im Frühling ziemlich gut erholt. Das Grundniveau von Wasser im Boden ist somit wieder höher", sagt er: "Die Niederschläge waren ein Segen für den Wald."
Ohne ausreichende Wasserversorgung bekommen Bäume Trockenstress, der ihre Widerstandsfähigkeit senkt und sie für Schädlingsbefall anfälliger macht. Anhaltende Trockenheit hemmt einerseits die Harzproduktion und kann andererseits dazu führen, dass die Wurzel- und Wasserleitungssysteme unserer grünen Freunde Schaden nehmen.
"Immunabwehr" der Bäume
Bei guter Wasserversorgung kann sich der Baumkörper - ähnlich wie der eines Menschen, der sich gesund ernährt, Sport betreibt und ausreichend schläft, gegen Schmarotzer ziemlich effizient wehren. "Zur Abwehr des Borkenkäfers etwa produziert die Fichte Harz. Je besser die Wasserversorgung ist, desto höher ist der Harzdruck, den sie aufbauen kann", erklärt Gernot Hoch, Waldschutzexperte des Bundesforschungszentrums für Wald in Wien. Käfer, die versuchen, sich einzubohren, stehen an der klebrigen Masse an. Wenn es ihnen doch gelingt, schickt der Baum ganz gezielt mehr Harz an die befallene Stelle. Außerdem setzt er physiologische Mechanismen in Gang, um Wunden zu schließen und befallene Bereiche lokal abzugrenzen, damit die Gliederfüßler nicht weiter vordringen können.
Im Moment steht der Walt im Saft - und damit im wahrsten Sinne im grünen Bereich. "Unsere Bodenfeuchte-Messungen auf der Dauerversuchsfläche Klausen-Leopoldsdorf im Wienerwald zeigen schön, dass aktuell die Buchen aus dem Vollem schöpfen. Viel Sonne. Vegetation voll im Sprießen", bestätigt der Sprecher des Bundesforschungszentrums für Wald, Christian Lackner.
Außerdem haben Regen und Kälte Auswirkungen auf die Schädlinge selbst. Insekten, die gerade in einer Niederschlagsphase flügge werden, werden in ihrem Verhalten gestört. "Es kommt zu einem verzettelten Flug und die am meisten gefürchtete Borkenkäferart, der Buchdrucker, der die Fichte auf dem Gewissen hat und gerade in April und Mai stark unterwegs ist, um neue Brutstellen zu anzulegen, brauchen länger, um ihre Aktivität zu entfalten", erklärt Hoch. Auch die Entwicklung blattfressender Schmetterlingsraupen würde sich durch Nässe und Kälte verzögern, "hier sehen wir eine höhere Mortalität".
Grundfeuchtigkeit im Boden
Schädlingspopulationen entwickeln sich in Generationen exponentiell. Je länger eine Saison, desto mehr Generationen, und je kälter der Start, desto weniger Zeit. Gerade beim Borkenkäfer müsse der dämpfende Effekt einer frühlingshaften Kälteperiode allerdings nicht von Dauer sein, räumt Hoch ein. "Bei längeren Perioden von stabilem Sonnenschein und hohen Temperaturen kann der Schädling die Verzögerungseffekte wieder wettmachen und gerade in Tieflagen ausgleichen", erläutert er. Dennoch: "Prinzipiell ist eine Dämpfung schon da." Wenn es weiterhin einigermaßen feucht sei und längere Dürreperioden ausbleiben, seien die Aussichten für die Wälder insgesamt gut.
Vonseiten der Bundesforste wird bereits an der Prävention gearbeitet. Denn bei mehreren Tagen trockenen, warmen Wetters startet der Borkenkäfer seine Flugaktivität, wodurch eine gute Zeit einsetzt, um an den Bäumen nach Bohrmehl zu suchen. "Jetzt ist die Zeit, zu suchen und befallene Bäume möglichst schnell aus dem Wald zu bringen. Das ist die goldene Regel und da sind wir mit Hochdruck dran", erklärt Schörghuber.
Das Wasser im Boden verdunstet, steigt auf und fällt als Regen wieder herab. Ausgehend von diesem Prinzip geht der Experte davon aus, dass der heurige Sommer nicht allzu trocken werden dürfte. "Wenn durch mit Wasser gesättigte Böden eine Grundfeuchte existiert, gibt es in der Regel immer wieder Gewitterniederschläge. Es wäre anders, wenn wir trocken schon in den Sommer gestartet hätten", sagt Hoch. Schönen Sommer!