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Saisonale Arbeitslosigkeit und mangelnde Aufstiegsperspektiven: Tourismus-Beschäftigte sind unzufriedener als der Durchschnitt.
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Wien. Einige Monate angestellt, dann stempeln gehen: Viele Beschäftigte im Tourismus müssen regelmäßig Phasen der Arbeitslosigkeit überbrücken. Arbeitnehmer in Hotellerie und Gastronomie waren zuletzt durchschnittlich 197 Tage pro Jahr beschäftigt, im Vergleich zu 300 Tagen über alle Branchen, sagt Kai Biehl von der Arbeiterkammer (AK) Wien. "Aufgrund der häufig kurzen Beschäftigungsdauer haben viele Arbeitslose im Tourismus keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld", so der Arbeitsmarktexperte. Dafür muss die Person 28 Wochen lang innerhalb des letzten Jahres eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben.
Umsatzrückgang bremst das Schaffen neuer Stellen
Häufige Jobwechsel sind im Tourismus üblich. Arbeitssuchende aus dem Fremdenverkehrsgewerbe fanden im Vorjahr innerhalb von durchschnittlich 80 Tagen eine neue Stelle. Bisher galt es als relativ leicht, wieder eine neue Stelle in der Branche zu finden. "Dieser Bonus eines unkomplizierten Arbeitsplatzwechsels droht wegzufallen", sagt AK-Präsident Rudolf Kaske. Er verweist darauf, dass die Beschäftigung im ersten Halbjahr nur noch um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen ist. Nur mehr in Wien und in Niederösterreich wurden über 500 neue Personen eingestellt. Zugenommen hat die Beschäftigung von geringfügigen und ausländischen Arbeitskräften. Der Anteil ausländischer Arbeitnehmer im Tourismus liegt bei 45 Prozent.
Nach einem Rückgang hat die Beschäftigtenzahl seit 2009 um neun Prozent auf mehr als 196.000 Personen zugenommen. "Der Jobmotor Tourismus- und Freizeitwirtschaft läuft auf einer sehr hohen Drehzahl auf Touren", sagt Tourismus-Spartenobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher.
Die derzeit nur minimal steigende Beschäftigung sei eine Auswirkung der Umsatzentwicklung und der steigenden Kosten, sagt ÖHV-Sprecher Martin Stanits. Zwar gab es im Vorjahr erneut einen Nächtigungsrekord in Österreichs Herbergen, die Tourismuseinnahmen sanken jedoch um 0,5 Prozent, wie der Tourismusbericht der Bundesregierung zeigt. "Tourismusbetriebe schaffen bei sinkenden Einnahmen neue Arbeitsplätze, die Löhne steigen. Und dafür kritisiert die Gewerkschaft die Arbeitgeber", so ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer in Richtung Arbeitnehmervertreter. Als Ausweg gilt die Saisonverlängerung: "Bleiben Gäste länger, steigt der Umsatz, Mitarbeiter sind länger angestellt, verdienen mehr", heißt es von der ÖHV.
Die saisonale Arbeitslosigkeit, mangelnde Karrierechancen und Arbeitszeiten abends und am Wochenende führen allerdings dazu, dass Tourismus-Beschäftigte weniger zufrieden als der Durchschnitt der österreichischen Arbeitnehmer sind. Laut dem Arbeitsklimaindex, für den das Institut Ifes 390 Beschäftigte befragt hat, ist die Zufriedenheit in Hotellerie und Gastgewerbe um einen Punkt auf 103 Indexpunkte gestiegen. Der Index aller Branchen liegt bei 107 Punkten.
Schlechter bewertet als zuletzt werden vor allem die eigenen Chancen am Arbeitsmarkt sowie Aufstiegschancen und Weiterbildung. "Die Befragten sehen so gut wie keine Entwicklungsmöglichkeit", sagt Georg Michenthaler von Ifes. Der Rückgang ist für die Tourismus-Obfrau angesichts der allgemeinen Situation am Arbeitsmarkt "leider nachvollziehbar".
Tourismus-Lehre kaum konkurrenzfähig
"Wenn Karriereperspektiven fehlen, erzeugt das Frust bei den Beschäftigten", sagt Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske. Das schlägt sich auch in der Zahl der Lehrlinge nieder: Die Anzahl der Koch-Lehrlinge habe sich seit 2004 fast halbiert, so Rudolf Komaromy, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Tourismus in der Gewerkschaft Vida.
Der Tourismus sei "nicht mehr konkurrenzfähig", was die Attraktivität für Lehrlinge angeht, so Kaske: "Der Handel beispielsweise bietet wesentlich bessere Rahmenbedingungen." Dazu gehören Lehre mit Matura oder Gratis-Führerschein. Lehrlinge beim Diskonter Hofer verdienen im dritten Jahr 1307 Euro. Zum Vergleich: Der Kollektivvertrags-Mindestlohn im Hotel- und Gastgewerbe liegt bei 1320 Euro.
Mit Mai 2014 wäre eine weitere Erhöhung angestanden - die Kollektivvertrags-Verhandlungen für das Hotel- und Gastgewerbe wurden aber abgebrochen. Die Gewerkschaft will nicht auf die Forderung der Arbeitgeber eingehen, die Nachtruhezeit von elf auf acht Stunden zu verkürzen. Nun laufen Gespräche auf Bundesländerebene, um die Chancen für einen österreichweit einheitlichen Lohn- und Gehaltsabschluss abzuklären. Die Gesprächspartner haben bis zu einem endgültigen Ergebnis Verschwiegenheit vereinbart. Eine Erhöhung der Löhne ist also weiterhin nicht in Sicht.