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Frustrierend clevere Al Kaida

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Osama bin Ladens Terrornetzwerk verfolgt auch mit den jüngsten Aktivitäten im Jemen nur ein Ziel: im Westen Verwirrung zu stiften.


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Hinter den jüngsten Terrorplänen steckt eine Al-Kaida-Führung, die zwar in Pakistan arg in Bedrängnis ist, aber immer noch fest entschlossen, so viel wie möglich zurückzuschlagen - mit einem weit verstreuten Netzwerk und neuen Strategien, die schwerer zu durchschauen sind.

Die Paketbomben, die vergangene Woche im Jemen aufgegeben wurden, sind nur ein Teil dieser anhaltenden Kampagne. Die Ausführenden, die im Jemen am Werk waren, sind gewandt, anpassungsfähig und "frustrierend clever", sagte mir ein US-Terrorabwehrspezialist. "Sie haben nur ein Ziel: im Westen Verwirrung zu stiften."

Für die US-Geheimdienste sind diese jüngsten Terrorpläne zusammen mit den gegen Europa gerichteten eine grausige Erinnerung daran, dass der Kampf gegen die Al Kaida fern jeder raschen Lösung ist und noch lang nicht ausgestanden. Abwehrmaßnahmen allein sind zu wenig, denn die Sprengsätze, die vom Jemen aus unterwegs waren, können auf herkömmlichem Weg nicht entdeckt werden: Um solche Terrorpläne zu vereiteln, ist gute Geheimdienstarbeit vonnöten, wie das vergangene Woche der Fall war, als Saudi-Arabien die USA auf die Paketbomben aufmerksam machte.

Niemand will das öffentlich zugeben, aber die Lektion der vergangenen Wochen lautet offensichtlich: Eines Tages wird man die Terroristen nicht rechtzeitig stoppen. Die Menschen sollten auf diesen Fall vorbereitet sein, denn der größte Schaden entsteht nicht unbedingt aus dem Anschlag selbst, sondern aus der Reaktion darauf. Die Drahtzieher der geplanten Paketbombenattentate hatten wahrscheinlich den hektischen Aufruhr vor Augen, den der versuchte Anschlag zu den vergangenen Weihnachtsfeiertagen anrichtete. Und nun hoffen sie wohl, mit Paketbomben das weltweite Frachtwesen zu behindern und damit der fragilen Weltwirtschaft nachhaltig Schaden zuzufügen.

Seit zwei Jahren ist die Verfolgungsjagd zwischen CIA und Al Kaida von Schlägen und Gegenschlägen geprägt, vom Eskalieren der US-Drohnenangriffe über den pakistanischen Stammesgebieten und den kampfbereiten Reaktionen der Al Kaida. Um die aktuellen Nachrichten besser verstehen zu können, muss man nur an den Beginn des Jahres 2008 zurückdenken. Die CIA hatte damals Informationen, dass Al-Kaida-Führer sich neu gruppieren, neue Allianzen schmieden und neue Anschläge im Westen planen. Zu dieser Zeit waren die Angriffe der USA mit Predator-Drohnen noch sporadisch und mit Pakistan wurde vor jedem neuen Angriff Kontakt aufgenommen.

Mitte 2008 ließ die Bush-Regierung dann mehr Drohnenangriffe fliegen und Pakistan bekam nur mehr eine "gleichzeitige Benachrichtigung", was in der Praxis bedeutete, es wurde erst informiert, nachdem die Missiles bereits in der Luft waren. Noch mehr wurde das Tempo der Predator-Anschläge dann unter Präsident Obama erhöht.

Die Drohnen haben die Al Kaida schwer erschüttert und ihre Führung ausgedünnt. Mitte 2009 reagierte Osama bin Laden darauf mit einer Weisung an seine Anhänger, möglichst viele Anschläge zu verüben, wie auch immer, wo auch immer, um zu zeigen, dass die Al Kaida noch imstande ist, Schaden anzurichten.

Heuer haben die USA bis zur dritten Augustwoche bereits mehr als 40 Drohnenangriffe auf Stammesgebiete durchgeführt - mehr als im gesamten Jahr 2008. Zu einer ähnlichen Eskalation dürfte es nun im Jemen kommen. Es ist ein gefährlicher Kampf und er ist noch lange nicht vorbei.

Übersetzung: Redaktion Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".