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"Politik war zu Hause eigentlich gar nicht wichtig", erinnert sich Bruni Fuchs an ihre Jugend, "doch in der Schule wurde ich mit der Geschichte der Arbeiterbewegung konfrontiert, und angesichts
der großen Leistungen, die von der Gründergeneration unter enorm schwierigen Bedingungen erbracht wurden, wollte ich auch meinen Beitrag leisten. So kam ich als 16jährige zum Verband Sozialistischer
Mittelschüler."
In dieser Vorfeldorganisation der SPÖ, die damals der spätere Finanzminister Ferdinand Lacina leitete, lernte Fuchs auch ihren späteren Mann kennen, mit dem sie bereits seit 33 Jahren verheiratet
ist.
Nach Abschluß ihrer Ausbildung zur Kindergärtnerin und Horterzieherin wechselte sie mit Mann Richard zur Jungen Generation. Nicht selten fanden die Sitzungen der Favoritner JG in der Wohnung der
Familie Fuchs statt: "Weil wir damals die einzigen waren, die überhaupt eine Wohnung hatten. Und außerdem war ja im Mai 1966 unsere Tochter Ulli auf die Welt gekommen." Eine Geburt übrigens, die eine
alte Tante durchaus in Erstaunen versetzt hatte. Diese rechnete vom Hochzeits- zum Geburtstermin und wunderte sich dementsprechend, wie eine solche Frühgeburt schon vier Kilogramm auf die Waage
bringen konnte.
Fuchs und Chile
Richard Fuchs war Obmann der Favoritner JG, als 1973 in Chile General Pinochet den demokratisch gewählten Präsidenten Allende stürzte, wobei zahllose Demokraten, darunter Allende selbst, von den
Putschisten ermordet wurden. Schon damals setzte die JG eine Vielzahl von Solidaritätsaktionen mit dem chilenischen Volk und bemühte sich um Unterstützung all jener, denen die Flucht aus der
Militärdiktatur gelungen war.
Aktivitäten, die heute, da Bruni Fuchs Präsidentin der Österreichisch-Chilenischen Freundschaftsgesellschaft ist, durch die jüngsten Ereignisse um Pinochet brisante Aktualität erlangt haben. Fuchs
verfaßte sofort einen Brief an das englische Oberhaus, der in der Folge von 98 österreichischen Abgeordneten unterzeichnet wurde: "Ich habe diese Idee mit Nationalratspräsident Fischer besprochen,
der mir spontan seine Unterstützung gewährte. Auch Klubobmann Kostelka hat sich hier sehr engagiert, wie der Brief auch von Mandataren der ÖVP, der Grünen und der Liberalen sofort mit einer
Unterschrift bekräftigt wurde."
Mittlerweile habe man auch ein Schreiben an Innenminister Straw und an Amnesty International gerichtet, wo in Österreich lebende Chilenen von ihrem Schicksal berichten. "Für deren Psychohygiene ist
es eine enorm wichtige Frage, daß sich Pinochet seiner Verantwortung stellen muß", so Fuchs.
ASKÖ-Präsidentin
Doch zurück in die 70er Jahre. Fuchs arbeitete mehr als 20 Jahre als Kindergärtnerin und zuletzt als Leiterin eines Kindertagesheims ehe sie 1987 in den Wiener Landtag gewählt wurde. "Obwohl ich
damals schon 40 war, galt ich im Bezirk als Jugendkandidatin. Wir haben damals auch eine Publikation herausgebracht · Bruni Fuchs, Frech in Favoriten ·, wo ich u.a. am Motorrad zu sehen war. Heute
organisiere ich als Präsidentin des Wiener ASKÖ Wirbelsäulengymnastik und Beckenbodentraining für reifere Damen. So ändern sich die Zeiten."
Doch ist es wohl der Sport, der Bruni Fuchs jung erhält. Der ASKÖ, der mit Fuchs erstmals eine Frau an die Spitze einer Sportorganisation berufen hat, setzt dabei primär auf den Breitensport.
Insgesamt werden über 70 Sportarten in mehr als 450 Vereinen ausgeübt. Das Spektrum reicht vom American Football bis zum Reiten. "Eben haben wir eine Therapiereithalle eröffnet, in der etwa
verhaltensauffällige Kinder über das Reiten einen neuen Lebensbezugspunkt finden sollen", so Fuchs.
Einen weiteren Schwerpunkt setzt die Abgeordnete, die seit 1994 dem Hohen Haus angehört, in der Frauenfrage. Nach wie vor gebe es viel zu wenig Frauen im Parlament, ist Fuchs überzeugt. Vor allem
Wien weise in dieser Hinsicht Aufholbedarf auf, zumal aus einem großen Reservoir geschöpft werden könne. So ist es für Fuchs auch keine Frage, daß im Präsidium des Nationalrats Frauen eine
Selbstverständlichkeit werden sollten: "Ich schätze unseren derzeitigen Präsidenten Fischer außerordentlich, und ich wünsche mir, daß er uns noch lange erhalten bleibt. Aber wenn er irgendwann einmal
in Pension geht, dann würde ich mir schon eine Frau als Nachfolgerin wünschen."
Noch viel brisanter sei aber die Lage am Hochschulsektor, wo es nach wie vor kaum Professorinnen gebe. Hier müsse man sich endlich Maßnahmen überlegen, um Frauen dazu zu bewegen, sich verstärkt zu
bewerben, auf daß die Disparität im Lehrbereich wenigstens allmählich ausgeglichen wird: "Glücklicherweise haben wir in Minister Einem hier einen echten Fürsprecher für Frauenanliegen gefunden".
Als Pädagogin ist Fuchs aber auch die Schule ein großes Anliegen. Hier tritt sie mit aller Vehemenz für die Gesamtschule ein, die derzeit an konservativer Bildungspolitik scheitere: "Ziel muß es
sein, daß alle gemeinsam die gesamte Schulpflicht in einer Schulform verbringen. Dann ist man alt genug, seine eigenen Neigungen zu erkennen und sich dementsprechend zu orientieren. Eine gemeinsame
Schule der 6- bis 15jährigen bietet Jugendlichen die Möglichkeit, sich wirklich auf das spätere Leben vorzubereiten. Es müssen einfach alle die gleichen Chancen haben."
Für Gesamtschule
Im übrigen sei die Gesamtschule de facto ja ohnehin schon Realität, wenn auch unter inakzeptablen Bedingungen. Real erfülle das Gymnasium in Ballungsräumen und die Hauptschule im ländlichen
Bereich diese Funktion. Daher sollte hier die längst nötige Vereinheitlichung vorgenommen werden, noch dazu, wo es ohnehin die Möglichkeit gibt, auf besondere Situationen flexibel zu reagieren.
In das schulpolitische Engagement der Politikerin paßt auch ihr Bemühen um einen Dialog mit den Jugendlichen. Regelmäßig referiert sie an Schulen und führt ganze Klassen durch das Parlament. Wichtig
ist Fuchs dabei der unmittelbare Draht zur Bevölkerung: "Ich hoffe, ich bin eine, die nicht vergessen hat, woher sie kommt. Und demgemäß versuche ich, den Leuten, woimmer ich kann, zu helfen. Gerade
im Kleinen kann man sehr viel bewegen."
Bei einem randvollen politischen Terminkalender bleibt oft wenig Zeit für Privatleben. Doch den großen Wanderausflug am Sonntag läßt sich die Abgeordnete nicht nehmen. Zur richtigen Zeit ist sie
dabei überdies eine begeisterte Schwammerlsucherin und zählt daher auch Pilzgerichte neben Krautfleckerln und Wiener Schnitzel zu ihren Leibgerichten. Sportlicher Natur sind auch weitere Hobbies von
Bruni Fuchs, etwa das Motorradfahren, das Langlaufen und mitunter auch Tennis. Wie es sich eben für eine ASKÖ-Präsidentin geziemt.
Daneben begeistert sich Fuchs aber auch für die Musik, für Mozart, Rossini und Beethoven. Und für das Theater, für Nestroy, um genau zu sein. Das heißt, wenn nicht vorher der Komet kommt.Õ
Andreas P. Pittler ist Mitarbeiter des Parlamentarischen Pressedienstes
DEZEMBER 1998