Mit der "Operation Fuchsjagd" fahndet China nach korrupten Beamten, die sich ins Ausland abgesetzt haben. Doch nicht alle Länder haben Auslieferungsverträge unterschrieben.
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Peking. Die Ausweitung der Jagdsaison ist bereits beschlossene Sache: "Wir werden alle scheinbar sicheren Häfen durchkämmen, um Korruptionsverbrechern zu zeigen: Sie sind nirgendwo und niemals sicher, und wir werden sie zur Rechenschaft ziehen." Dieses Fazit zog Xu Rong, der Abteilungsleiter für internationales Vertragswesen im Außenministerium, aus der "Operation Fuchsjagd". Die Aktion ist ein Teil jener Anti-Korruptionskampagne, mit der Chinas Präsident Xi Jinping bei seinem Amtsantritt im November 2012 zum Halali auf bestechliche Funktionäre blies. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas pflegt eine Vorliebe für Tiervergleiche und kündigte vor zwei Jahren an, sowohl gegen "Fliegen" als auch gegen "Tiger" kämpfen zu wollen. Mit "Fliegen" meinte er niedere Beamte, die ihre Taschen für ein gewisses Entgegenkommen aufhielten, mit "Tigern" bezeichnete er Spitzenpolitiker, die im großen Stil abräumten.
Ermittlungen gegenranghohe Tiger
Gegen den General der Streitkräfte, einen solchen Tiger, ermitteln die Behörden im Zusammenhang mit Schmiergeldern im großen Stil. Der 52-jährige Generalmajor Dai Weimin gehörte zum Führungszirkel der renommierten Militärakademie von Nanjing. Die Ermittlungen der Militärstaatsanwaltschaft liefen seit Mitte November, berichtete das Nachrichtenmagazin "Caixin".
Zuvor war mit dem ehemaligen Sicherheitschef des Landes die bis dato prominenteste Person wegen Korruption verhaftet worden. Die Behörden warfen dem 71-jährigen Zhou Yongkang unter anderem Bestechlichkeit sowie den Verrat von Staatsgeheimnissen vor. Zhou, der noch vor wenigen Jahren machtvoller Parteifunktionär für innere Sicherheit war, wurde zudem aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Unter seiner Kontrolle standen die Polizei, der Geheimdienst, die paramilitärische Polizei, die Richter und die Staatsanwälte.
Bereits 288 der geflohenen Füchse verhaftet
Parallel dazu schiebt China die Jagd auf die "Füchse" an: Das sind jene mutmaßlichen Korruptions-Verdächtigen, die sich vor oder unmittelbar nach Xis Amtsantritt ins Ausland abgesetzt hatten, um die Früchte ihrer Bemühungen ungestört genießen zu können. Zumindest in einigen Fällen scheint dies für die Geflohenen gescheitert zu sein, wie Amtsdirektor Xu bei seiner Herbstbilanz bekanntgab: Man habe im Verlauf der "Operation Fuchsjagd" 288 Flüchtige verhaftet, denen Wirtschaftsverbrechen angelastet werden. In Westeuropa, Afrika, Südamerika und im Südpazifik hätten die Behörden der Fluchtländer kooperiert; in Südostasien seien sogar zwanzig Fahndungsteams auf die Philippinen, nach Thailand, Malaysia, Kambodscha und in andere Nachbarländer geschickt worden. Viele der jetzt im Ausland Festgenommenen seien erst vor einigen Monaten aus der Volksrepublik geflohen, nachdem die Anti-Korruptionsermittlungen Fahrt aufgenommen hätten.
Und es dürfte für die Fahnder noch einiges zu tun geben: Die auf illegale Geldflüsse spezialisierte Global Financial Integrity Group schätzt die Summe der von 2002 bis 2011 illegal außer Landes geschafften Gelder auf unfassbare 1,08 Billionen US-Dollar (879 Milliarden Euro).
Dass selbst diese Zahl keinesfalls zu hoch gegriffen ist, zeigen einige Beispiele aus den letzten Monaten, die von den heimischen Medien grell ausgeleuchtet wurden. So fand die Pekinger Generalstaatsanwaltschaft im Hause des Vizedirektors der nationalen Energiebehörde, Wei Pengyuan, mehr als umgerechnet 25 Millionen Euro in bar. Passenderweise leitete Wei die Abteilung für Kohle, und 16 Zählmaschinen reichten nicht aus, um seine gehorteten Bargeld-Vorräte zu erfassen.
Eine Tonne Banknoten wurden bei einem General entdeckt
In der Wohnung des früheren Vizevorsitzenden der Zentralen Militärkommission, Xu Caihou, waren solche Geräte auch zwecklos. Die Behörden fanden so viel Geld, dass sie es vorzogen, dieses zu wiegen und kamen auf insgesamt eine Tonne Banknoten. Der entlassene General ließ sich in seiner zehnjährigen Amtszeit die Beförderungen von zweieinhalb Millionen Soldaten und 80.000 Offizieren offenbar gut entlohnen. Und dann gab es da noch den Direktor der lokalen Wasserversorgung für den Promi-Badeort Beidaihe. Nach der gängigen Definition war Ma Chaoqun zwar nur eine "Fliege". Doch wer entscheidet, welche Hotelanlagen oder Unternehmen das begehrte Nass bekommen und welche nicht, kann durchaus gewisse Zusatzeinkommen lukrieren: Neben insgesamt 68 Immobilien in Peking und Qinghuangdao sammelte Ma 37 Kilogramm Gold und Bargeld im Wert von 15 Millionen Euro, das in 40 Holztruhen vor sich hin moderte.
Die "Operation Fuchsjagd" soll nun also ein weiteres Warnsignal sein für jene Kader, denen die Tresore in ihrem Heimatland China bereits zu voll geworden sind. Präsident Xi hat ihre Verfolgung zur Chefsache erklärt und warb auf dem Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft Apec in Peking für grenzüberschreitende Kooperationen.
Fuchsbauten in den USA, Australien und Kanada
Peking hat in den vergangenen 30 Jahren 39 Auslieferungsverträge unterschrieben, die ermöglichen sollen, dass flüchtige Wirtschaftskriminelle im Ausland verhaftet und ihre Vermögen zurück nach China gebracht werden können. Doch ausgerechnet mit jenen Ländern, die als "Lieblings-Fuchslöcher" der Flüchtigen gelten, gibt es keine entsprechenden Vereinbarungen: Kanada, Australien und den USA. "Diese Länder haben Vorurteile gegenüber Chinas Rechtssystem und ihre Richter wissen nichts über unsere Justiz", rümpfte Fuchsjäger Xu Rong daher verstimmt die Nase.
Doch genau das scheint das Problem zu sein: Sind Verdächtige erst in den Fängen der parteiinternen Anti-Korruptionsbehörde CCDI - die über dem Gesetz steht und von Wang Qishan geführt wird -, befinden sie sich in einem rechtsfreien Raum und werden von den Ermittlern unsanft in die Mangel genommen. Das kann so weit führen, dass nicht wenige Beschuldigte entweder aus Furcht oder Traumatisierung Selbstmord begehen. Andere hingegen fühlen sich nach dem Verhör regelrecht erleichtert, wie etwa der Kohlebeamte Ma Junfei, der nach seiner Verurteilung zu lebenslanger Haft wenigstens seine größte Sorge los war, "wo ich das viele Geld noch verstecken kann".