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Führerschein nur auf Widerruf

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

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Die EU-Kommission in Brüssel legt Wert auf Sicherheit im Straßenverkehr: Das hat sie in den vergangenen Jahren bereits einige Male durch Aufsehen erregende Vorschläge bewiesen. Auch das zweite Aktionsprogramm der EU-Verkehrskommissarin Loyola De Palacio hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Unfallopfer weiter zu senken. Die darin enthaltenen Maßnahmen sollen Kraftfahrzeuge sicherer machen und die Bereitschaft der Autofahrer fördern, sich im eigenen Interesse im Straßenverkehr gefahrloser zu verhalten. Einer der Vorschläge, die in Brüssel gerade ausgearbeitet werden, sieht die Senkung der erlaubten Blutalkohol-Grenze auf EU-weit 0,5 Promille vor.

Außerdem will die EU-Zentrale in Brüssel schon seit einiger Zeit eine Befristung neuer Führerscheine auf zehn Jahre erreichen. Ein internes Papier der Brüsseler Behörde sieht dabei unter anderem einen obligatorischen Sehtest für Autofahrer vor: Nur wer diesen Test besteht, soll zukünftig eine verlängerte Fahrerlaubnis erhalten.

Nach Angaben des österreichischen Automobilklubs ARBÖ, den die "Wiener Zeitung" um nähere Klärung dieses einigermaßen undurchsichtigen Vorhabens ersuchte, steht den Europäern folgendes Szenario bevor:

Amtsarzt ab 45

Zukünftig wird man, genau so wie jetzt, den Führerschein im Alter von 18 Jahren erwerben können. Mit 28 muss dieser dann verlängert werden. Die Verlängerung bringt vorerst keinerlei medizinischer Tests mit sich, sondern gegebenenfalls ein sogenanntes "Daten- Update". Das kann beispielsweise die Erneuerung des Führerschein-Fotos bedeuten. Im Alter von 38 muss man erneut um Verlängerung Ansuchen, außer einem weiteren "Update" kann aber nichts passieren.

Nach dem Ablauf einer weiteren 10-Jahres Frist treten dann die Veränderungen ein. Jetzt, also im Alter von 48 Jahren (die Kommission nennt als Stichdatum die Erreichung des 45. Lebensjahres), muss ein obligater Sehtest bestanden werden, der Führerschein wird dann aber erneut auf zehn Jahre verlängert. Damit ist ab 65 Schluss. Jetzt wird nur noch auf fünf Jahre verlängert.

Heutige Senioren haben von der geplanten Novelle nichts zu befürchten. Sie bezieht sich nur auf Führerschein-"Neulinge". Soweit die Pläne der EU, eine offizielle Verlautbarung der Kommisssion dazu existiert noch nicht, Verkehrsexperten rechnen mit einem Inkrafttreten der Verordnung nicht vor dem Jahr 2006.

Die Hauptprobleme, mit denen sich die EU-Zentrale in Brüssel bei der Vereinheitlichung der Europäischen Führerschein-Bestimmungen konfrontiert sieht, liegen in der von Land zu Land höchst unterschiedlichen Gesetzeslage: Denn unbefristet gültige Führerscheine existieren derzeit in Frankreich, Belgien, Österreich und Deutschland. Die schärfsten Vorschriften gelten in Spanien, wo Sehtests schon jetzt alle fünf Jahre vorgeschrieben sind. In Großbritannien werden ältere Herrschaften ab 70 zu einem Gesundheitstest vorgeladen.

Führerscheinentzug total

Ein weitere Übereinkunft der EU-Justizminister aus dem Jahr 1998 sieht vor, dass der Entzug der Lenkerberechtigung in einem EU-Land den Verlust des Führerscheins in allen Staaten der Union nach sich zieht - in der täglichen Praxis noch reine Illusion, wie Wolfgang Schubert aus dem Verkehrsministerium gegenüber der "Wiener Zeitung" erläutert. Nachhaltiger Führerscheinentzug für einen nach Verkehrsrecht straffällig gewordenen EU-Ausländer gebe es nur, wenn dieser seinen Hauptwohnsitz in Österreich habe. Das gilt freilich genau so für nicht EU-Ausländer.

Begeht ein Tourist in Österreich ein entsprechendes Verkehrsdelikt, so kann ihm zwar die Lenkerberechtigung entzogen werden. "Spätestens bei der Ausreise muss ihm das Dokument aber wieder ausgehändigt werden", so Schubert. Für das Bundesgebiet Österreichs bleibt der Entzug der Lenkberechtigung aber aufrecht, der Sünder wird in eine eigene Kartei aufgenommen. Durchaus üblich sei es auch, den abgenommenen Führerschein an die ausstellende Behörde im Heimatland des Touristen zu schicken.

Von EU-weit gleichlautenden Regelungen, die auch Einzug in die jeweils nationalen Gesetzgebungen gehalten haben, ist man also noch weit entfernt. Immerhin: Seit 1. 11. 1997 können sich die Österreicher über einen optisch vereinheitlichten EU-Führerschein freuen. Hauptvorteil: Zieht man auf Dauer in ein anderes EU-Land, muss man den Führerschein nicht mehr umschreiben lassen.