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"Thierry" gilt als Nummer eins der Terrorgruppe. | Nachfolger stehen schon bereit. | Madrid/Bordeaux. Ein untersetzter Mann um die 50 steigt aus einem Auto und geht auf das Haus Nummer 63 der Cours de Marne-Strasse in Bordeaux zu. Neben ihm zwei junge sportliche Herren. Mit seinen dichten schwarzen Haaren, dem Schnauzer und dicker Brille, einem türkisblauen Lacoste-Polohemd, das über der Taille etwas spannt, sieht er aus wie ein südfranzösischer Familienvater. Nur die Handschellen stören. Dieser Mann ist "Thierry", der meistgesuchte ETA-Terrorist und vermutlich die Nummer eins der militanten Separatisten-Organisation.
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In dem Haus findet ein Lokaltermin statt. Thierry - oder Javier Lopez Peña wie er richtig heißt - ist hier am späten Dienstagabend kurz vor Mitternacht mit drei Mitverschwörern festgenommen worden. "Das ist nicht irgendeine Festnahme" befindet Spaniens Innenminister Alfredo Perez Rubalcaba in einer Pressekonferenz im senegalesischen Dakar, wo er über Maßnahmen gegen illegale Einwanderung verhandelt hat. "Man hat die Person mit dem größten politischen und militärischen Gewicht in der Terrorbande festgenommen", sagt der Innenminister, der sofort nach Madrid zurückflog.
Von einem harten Schlag gegen ETA spricht auch seine französische Ressortkollegin Michèle Alliot-Marie. Beide Minister sind zuständig, denn sowohl französische Gendarmerie als auch spanische Guardia Civil waren an der Verfolgung und Festnahme beteiligt.
In der Wohnung wurden Computer, Dokumente, Sprengstoff sowie vier Pistolen gefunden, für jeden Terroristen eine. Gewehrt haben die sich bei der Festnahme allerdings nicht. Und die Polizei entdeckte zwei gestohlene Autos mit gefälschten Nummernschildern. "Sie sollten ohne Zweifel für neue Attentate dienen", erklärt Innenministerin Alliot-Marie dazu. Erst vor einer Woche hatte die ETA eine 300-Kilo-Bombe in einem Auto vor der Guardia Civil-Kaserne im baskischen Legutiano gezündet. Ein Polizist wurde getötet, vier weitere wurden verletzt. Sicherheitskräfte werteten das als möglichen Beginn einer Sommer-Offensive, die sich auch gegen touristische Ziele richten könnte. Das traf zu, denn am Montag sprengte die ETA eine Autobombe vor dem Jachtclub im nordspanischen Getxo.
Die Verhaftung von Lopez Peña alias "Thierry" gilt als härtester Schlag gegen die ETA-Spitze seit Jahren. Er hatte als Führer der Hardliner im internen Machtkampf der ETA den eher an einer politischen Lösung interessierten Josu Ternera von der Spitze verdrängt. Thierry, der seit 1982 bei der ETA ist, führte die letzten Verhandlungen mit der Madrider Regierung im Rahmen des "Friedensprozesses". Er war es, der diese Gespräche im Mai 2006 abbrach, das Attentat am Madrider Flughafen Ende 2006 anordnete und am 5. Juni 2007 den Waffenstillstand beendete.
Der harte Kern der neuen ETA in Haft
"Thierry" verkörpert die neue ETA-Struktur. Bei ihm lagen Politik und so genannte Militäraktionen, Ausbildung sowie Waffen- und Sprengstoffbeschaffung in einer Hand. Nur die Finanzierungsschiene - vor allem durch Erpressen einer "Revolutionssteuer" von baskischen Unternehmen - scheint noch eigenständig zu sein. Früher waren alle Bereiche streng getrennt.
Mit Lopez Peña wurden Jon Salabarria, Igor Suberbiola und Ainhoa Ozaeta festgenommen, die nach dem "Friedensprozess" maskiert in einer TV-Botschaft das Ende des Waffenstillstands verkündete. Auch wenn "Thierry" seinen 50. Geburtstag am kommenden 30. Mai im Gefängnis verbringen wird, so ist die ETA weder führungslos noch handlungsunfähig. An seine Stelle dürfte Garikoitz Aspiazu alias "Txeroki" (Cherokee) treten und sein Stellvertreter Aitzol Iriondo "Gurbitz". Bei waren bisher Führungsoffiziere der bewaffneten ETA-Kommandos. Sie gehören dem harten Flügel an. Dass sich der durchgesetzt hat, wurde spätestens mit dem Mord durch Genickschuss an dem sozialistischen Ex-Stadtverordneten Isaias Carrasco zwei Tage vor
der Parlamentswahl vom 9. März deutlich.