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Fundamentalisten im Vormarsch

Von Jürgen Hein und Ahmed Fazl

Politik

Neu Delhi/Dhaka - Eigentlich hätte Bangladesch allen Grund zum Feiern: Zehn Jahre währt die Demokratie nun schon seit dem Sturz des letzten Militärherrschers H. M. Ershad 1991. Aber statt Jubel gibt es Gewalt, ausgebrannte Autowracks am Straßenrand und Blutflecke auf dem Asphalt. Bis zu 200 Menschen sind während der vergangenen Wochen ums Leben gekommen, Scharfschützen der rivalisierenden Parteien nehmen einander aufs Korn, und fundamentalistische Moslems könnten von all dem bei der heute stattfindenden Parlamentswahl profitieren.


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Einen großen Teil der Verantwortung für das Desaster tragen nach Ansicht von Experten die beiden wichtigsten Politikerinnen des bitter armen Landes, die bisherige Regierungschefin Scheich Hasina Wazed von der Awami-Liga und die Oppositionsführerin Khaleda Zia von der Nationalpartei BNP. "Das Ausmaß an Bitterkeit zwischen den beiden ist so groß, dass sie kaum miteinander reden", sagt ein Beobachter.

Die tiefe Feindschaft geht auf traumatische Erlebnisse zurück. Scheich Hasina (54) ist die Tochter des Staatsgründers von Bangladesch, Mujibur Rahman. Er wurde 1975 ermordet, und Hasina macht dafür den Mann Zias, General Ziaur Rahman, mitverantwortlich. Der General wurde 1981 ermordet, und seine Witwe Khaleda Zia (56) vermutet die Täter unter den Sympathisanten Mujibur Rahmans.

Im Wahlkampf würde es nicht an wirklich wichtigen Themen fehlen: Von den 130 Millionen Menschen im moslemischen Bangladesch lebt mehr als die Hälfte in bitterster Armut. Trotz eines jährlichen Wachstums von fünf Prozent seit 1997 hat sich daran nichts geändert. Das Land braucht nach Ansicht von Experten wirtschaftliche Reformen, die Produktion von Nahrungsmitteln muss gesteigert werden.

Stattdessen konzentrieren sich Hasina und Zia auf gegenseitige Beschuldigungen. "Sie benehmen sich wie Vogel Strauß und stecken den Kopf in den Sand, während der Sturm tobt", kritisiert der Manager Akbar Chowdhury. Die Awami-Liga und die BNP bestreiten zwar, Schläger und Mörder auf die Straße zu schicken. "Aber die Verbindungen zwischen der Unterwelt und einigen politischen Organisationen sind offensichtlich", sagt der frühere Innenminister Kamal Hussain.

Die demokratischen Spielregeln gelten dagegen wenig. Als Zia von 1991 bis 1996 Ministerpräsidentin war, bekämpfte Hasina sie weniger im Parlament als auf der Straße. Als Hasina 1996 an die Macht kam, vertauschten die beiden Politikerinnen und ihre Parteien nur die Rollen. Massendemonstrationen statt Reden im Parlament, zahllose Streiks statt der Macht der Abstimmung beherrschen das Land.

Beobachter befürchten, dass sich die Lage nicht wesentlich bessern wird. Die BNP hat sich in der Hoffnung auf Stimmengewinne unter anderem mit den Fundamentalisten zusammengeschlossen. Bei der Wahl 1996 hatten sie nur 3 der 330 Parlamentssitze gewonnen. Diesmal könnten es mehr werden. "Die religiösen Fanatiker waren der Beteiligung an der Macht noch nie so nahe", meint der Intellektuelle Ramendu Majumdar.