Auf seiner "Tour des Capitales" in die Mitgliedstaaten machte EU-Kommissar Franz Fischler gestern Station in Wien, um zu der von ihm vorgelegten Agrarreform die Meinungen der Interessenvertreter einzuholen. "Dass wir eine Änderung des Fördersystems brauchen, ist klar", Fundamentalopposition sei daher "ein Eigentor", betonte Fischler. Im November soll es erste Gesetzesvorschläge geben, im März nächsten Jahres soll die Reform beschlossen werden, so Fischlers Plan.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wie berichtet, sollen künftig die so genannten Direktzahlungen (etwa Flächen- und Viehprämien) schrittweise um 20 Prozent gekürzt werden. Das so eingesparte Geld soll über einen Aufteilungsschlüssel den Staaten wieder für Projekte zur ländlichen Entwicklung zur Verfügung gestellt werden (die - anders als die Direktzahlungen - wieder national kofinanziert werden müssten). Der Schlüssel begünstige Österreich, das schon bisher extensiv gewirtschaftet habe, daher würde nach der Reform für die ländlichen Gebiete mehr Geld aus Brüssel zur Verfügung stehen als vorher, sagte Fischler. Eine finanzielle Größenordnung dazu wollte der Agrarkommissar noch nicht nennen.
Fischler räumte aber ein, dass von der Kürzung der Direktzahlungen die Mehrzahl der Vollerwerbsbauern zunächst betroffen sei. 5.000 Euro an Prämien pro Jahr bleiben unangetastet, der darüber hinausgehende Betrag soll über einen Zeitraum von sieben Jahren um jeweils drei Prozent gekürzt werden.
Es liege im "ureigensten Interesse" der Bauern, auf die Erwartungen der Gesellschaft auf Veränderungen im Förderungssystem zu reagieren. Andernfalls drohten sie die Unterstützung der Steuerzahler zu verlieren.
Dass auch Österreichs Landwirtschafts- und Umweltminister Wilhelm Molterer die Vorschläge bisher ablehne, liegt nicht daran, dass dieser sie nicht versteht, ist sich Fischler sicher: Dass er als Landwirtschaftsminister seinerzeit Molterer zum Kabinettschef berufen habe, "ist der Beweis, dass ich von seiner Intelligenz viel halte" - aber die österreichische Meinungsbildung sei eben noch im Gang. "Ich bin überzeugt, dass am Ende des Tages, wenn der Zug schließlich in die richtige Richtung fährt, auch Österreich in einem Abteil sitzen wird."
Die in Österreich ebenfalls heftig kritisierten Vorschläge der EU-Kommission zur Zertifizierung der Höfe ("Farm Audit") seien "sicher nicht ein fertiges, perfekt ausgearbeitetes Konzept", sondern "Grundüberlegungen", bei denen noch "viel Arbeit notwendig" ist, so Fischler. "Es wird nicht gehen, einem Ackerbauern mit 20 Hektar ein verpflichtendes Audit vorzuschreiben, während ein Schweinemäster mit 10.000 Stallplätzen keines hat, weil er das Futter zukauft und keine Direktzahlungen bekommt."
Bauernvertreter von ÖVP und FPÖ erneuerten indes ihre Ablehnung der Reformvorschläge. Landwirtschaftskammerpräsident Rudolf Schwarzböck sieht in den Vorschlägen einen "Förderungskahlschlag", die freiheitlichen Bauern sprachen von einer "Geldbeschaffungsaktion zur Finanzierung der geplanten Osterweiterung". Grundsätzlich positive Stimmen kamen aus der Arbeiterkammer und der SPÖ.