Jörg Fündlings Buch über Augustus entspricht der orthodoxen Geschichtsschreibung.
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Ein Autor stößt mitunter auf ein Thema, das auserforscht ist, zu dem er bei bestem Willen nichts Neues bieten kann, weil es nichts Neues gibt. Meist sind solche Arbeiten jubiläumsbedingt. So auch Jörg Fündlings Buch über den römischen Kaiser Augustus, dessen Tod sich am 19. August zum 2000. Mal jährt.
Fündling, 1970 geborener deutscher Althistoriker, hat bisher zur römischen Antike allerhand Erfrischendes geboten, etwa "Kaiser von morgens bis abends. Ein Tag an der Spitze des Römischen Reichs" oder, zusammen mit Philip Matyszak, Karriereführer für Gladiatoren und Legionäre. Man kann Wissen eben wirklich unterhaltsam vermitteln und gleichzeitig einen bestimmten Ausschnitt einer Epoche lebendig werden lassen. Es war zu hoffen, dass Fündling bei Augustus ein Gleiches gelingt.
Doch die Hoffnung war vergebens. Wobei "Das Goldene Zeitalter" keineswegs ein schwaches Buch ist, im Gegenteil: Es ist glänzend. Vor allem kann Fündling erzählen. Und wenn er die Augustus-Ära aus den Winkeln Militärgeschichte, Kulturgeschichte, Sozialgeschichte beleuchtet, verleiht er dieser Epoche ungewöhnliche Plastizität.
Quellenkritik tut not
Aber er hat sich auch in seinen Protagonisten verliebt. Schon der Titel macht den kritischen Leser nicht ganz glücklich: Als "Goldenes Zeitalter" haben nämlich die römischen Geschichtsautoren die Epoche des Augustus wohl gesehen, und die Historiker folgen ihnen bis zum heutigen Tag. Dabei tut längst Quellenkritik not: Welchem Stand gehörten die Autoren an? Aus welchem Blickwinkel schrieben sie? Welche Ziele verfolgten sie? Die antike Geschichtsschreibung erfolgte (übrigens ebenso wie die heutige) in den seltensten Fällen objektiv, sie war politisches Programm des Autors. Dadurch sind von Kaisern wie etwa Nero, Caligula und Elagabal Zerrbilder auf uns gekommen, denen freilich ebenso zu misstrauen ist wie der hagiographischen Darstellung eines Vespasianus, eines Titus - oder eben eines Augustus.
Kaum geriet die Geschichtsschreibung in (früh)christliche Hände, wurde nur noch danach geurteilt, ob ein bestimmter Kaiser Christen verfolgt hatte. Hatte er es (wie Augustus) nicht gemacht, wurde er im Urteil der christlichen Nachwelt freigesprochen, zumal dann, wenn er, wie Augustus, obendrein einen dem christlichen verwandten Sittenkodex verfügte.
Liest man die antiken Geschichtsschreiber jedoch durch die Brille der Quellenkritik, muss es bei Augustus, speziell in seiner Jugend, Vorfälle gegeben haben, die von nahezu psychopathischer Grausamkeit zeugen, und weshalb man die Eroberungs- und Kriegspolitik des Augustus lobt, ist schwer einzusehen: Krieg bedeutet immer Leid und Tod, ein Abstand von 2000 Jahren ändert daran nichts.
Selbst die berühmte "pax augusta" ist bei genauer Betrachtung der Trick eines PropagandaGenies: Innerhalb der Grenzen des Römischen Reichs mochten die Menschen in Frieden leben, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Kantabrer, Illyrer oder Galater das anders einschätzten, ist relativ hoch. Die Tatsache, dass ein Kaiser einige Jahre lang nicht Krieg führte, macht ihn nicht zum Friedensfürsten. Das war schon eher - ausgerechnet der angeblich irre Caligula, der militärische Unternehmungen schon auch mal ad absurdum führte, wenn er seine Legionäre, statt sie für die Britannien-Invasion einzuschiffen, am Strand Muscheln sammeln ließ, weil er dem Meeresgott Neptun den Krieg erklärt hatte.
Ein Hauch von ketzerischem Revisionismus wäre in der Altertumsgeschichte also durchaus willkommen. Wer sich indessen über den derzeitigen Kenntnisstand in Sachen Augustus und den Blick der orthodoxen Geschichtsschreibung informieren will, kann derzeit kein besseres Buch zur Hand nehmen, als das Jörg Fündlings.
Jörg Fündling: Das goldene Zeitalter, Primus Verlag, 160 Seiten, 29,90 Euro