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Fünf, auf die es ankommt

Von Alexander Dworzak

Politik

Ob Schwarz-Rot in Deutschland klappt, liegt maßgeblich an den Partei- und Fraktionschefs. Deren Interessen im Überblick.


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Angela Merkel (CDU) hat ihre Nachfolge zu regeln

Dass im November die Sondierungen zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen platzten, wurde vor allem den Liberalen zugeschrieben. Es war aber auch eine bittere Niederlage für Kanzlerin Angela Merkel. Zwar galt sie als unumstrittene Führungsfigur bei den Gesprächen, dennoch gelang es ihr nicht, die vier Parteien zusammenzubringen - trotz der Routine von zwölf Jahren Kanzlerschaft.

Mit dem "Jamaika"-Ende hat Merkel nochmals an Autorität verloren, begonnen hatte der Prozess mit der Flüchtlingskrise. Zu ihrem Glück gibt es noch keinen logischen Nachfolger für die CDU-Spitze. Sie kann in der kommenden Legislaturperiode dieses Thema proaktiv regeln - oder wird irgendwann abgewählt.

Zu führenden SPD-Vertretern pflegt Merkel ein gutes, zumindest konstruktives Verhältnis. Sollte Schwarz-Rot kommen, wäre die SPD aber ein unangenehmerer Juniorpartner als 2005 bis 2009 sowie seit 2013. Schließlich plagen die Sozialdemokraten Existenzängste. Sie werden also nicht nur auf eine starke inhaltliche Handschrift pochen, sondern auch Differenzen mit Merkel öffentlichkeitswirksamer austragen. Keine guten Aussichten für die diskussionsunfreudige Kanzlerin.

Berlin als Rettungsanker für Horst Seehofer (CSU)

Ein Posten in der Hauptstadt war einst das Sprungbrett für Horst Seehofer, um in München ans Ziel zu kommen: Unter Merkel wurde er 2005 Landwirtschaftsminister im Bund, drei Jahre später gab er das Amt auf. Bayrischer Ministerpräsident ist Seehofer zwar heute noch, aber einer mit Ablaufdatum. Wenn Markus Söder im ersten Quartal übernimmt, bleibt Seehofer nur noch der Vorsitz der Regionalpartei. Er braucht somit politisches Gewicht, um mit dem von ihm lange verhinderten Söder auf Augenhöhe zu bleiben: einen Ministerposten in Berlin.

Entsprechend konstruktiv gab sich Seehofer bereits bei den "Jamaika"-Sondierungen. Auch einer Fortsetzung der großen Koalition legt er keine Steine in den Weg. Sein großer Widerpart war in den vergangenen Jahren Merkel. In der Flüchtlingspolitik ist Seehofers Bilanz zwiespältig: Einerseits kritisierte er die Kanzlerin monatelang wie sonst nur AfD-Politiker, diagnostizierte gar eine "Herrschaft des Unrechts". Vor der Bundestagswahl schaltete er dann auf Kuschelkurs, ohne dass er die CSU-Forderung einer Obergrenze von 200.000 neu ankommenden Flüchtlingen pro Jahr durchgebracht hätte. Erst nach der Wahlniederlage schwenkte die CDU um, das berühmte O-Wort fehlt aber im Sprachgebrauch.

Alexander Dobrindt muss der CSU Gehör verschaffen

Arbeitsteilung auf Bayerisch: Während Seehofer als möglicher Minister das geräuschlose Wohl der gesamten Regierung im Auge haben wird, muss Alexander Dobrindt als Fraktionschef der CSU-Abgeordneten im Bundestag dafür sorgen, dass die bayrische Partei stets lautstark gehört wird. Sie braucht in jeder Legislaturperiode ein eigenes Thema, um ihre Existenzberechtigung zu untermauern - in den vergangenen vier Jahren war es die Autobahnmaut.

Zwar ist der CSU-Sonderstatus innerhalb der konservativen Union nicht infrage gestellt. Aber sie war die größte Verliererin der Bundestagswahl, fiel in Bayern von knapp 50 auf 38,8 Prozent. Ungeachtet dessen trat Dobrindt bei den "Jamaika"-Sondierungen mit der breiten Brust eines Wahlsiegers auf und attestierte den Grünen "Schwachsinnsthemen" in der Autopolitik. Angriff galt als die beste Verteidigung.

Bei den schwarz-roten Sondierungen agierte Dobrindt nun zahmer. Ob die von der Fachgruppe Verkehr angedachte Nachrüstung von Pkw mit hohem Stickoxid-Ausstoß die Chefrunde überleben wird, ist aber fraglich. Denn dort sitzen neben den drei Parteichefs auch die Fraktionsvorsitzenden; und damit auch Dobrindt, der solche Maßnahmen als Verkehrsminister stets blockierte.

Martin Schulz (SPD) greift auf Europa zurück

Martin Schulz nahm merkbar unwillig an den Sondierungsgesprächen teil, er hätte viel lieber Verbalangriffe gegen Angela Merkel geführt. Das Unwohlsein des Gefühlspolitikers war offensichtlich, wenn er über den Stand der Gespräche referierte. Und doch ist, analog zu Seehofer, die Fortsetzung der großen Koalition für Schulz die einzige Chance, um nicht in die politische Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Außenminister, das wäre wohl ein Traumjob für den früheren EU-Parlamentspräsidenten. Bloß sitzt dort sein Vorgänger als SPD-Chef, Sigmar Gabriel, und der fühlt sich pudelwohl und wird von den Bürgern mittlerweile hochgeschätzt.

Schulz dagegen muss sich mit den Jungsozialisten und anderen Teilen der Basis herumplagen, die Schwarz-Rot mit allen Mitteln verhindern wollen. Die anderen Optionen - eine CDU/CSU-geführte Minderheitsregierung zu tolerieren oder in Neuwahlen zu gehen - werden mit jedem Tag unrealistischer. Denn nicht nur die Deutschen sehnen sich nach einer stabilen Regierung, auch die EU-Länder warten ungeduldig darauf.

Die anstehenden Reformen in der EU dienen Schulz nun als Köder, um skeptische Genossen zu überzeugen. Diese Botschaft vertritt er glaubhaft, auch wenn er mit Schwarz-Rot hadert.

Andrea Nahles führt de facto die SPD an

Schulz ist zwar Parteichef, doch an Andrea Nahles kommt in der SPD niemand vorbei: Als Fraktionsvorsitzende hat sie die stärkste Rolle im parlamentarischen Alltag. Zugute kommt ihr dabei auch die Schwächung von Parteichef Schulz, der stur auf der Oppositionsrolle beharrte. "Ich halte nichts von der reinen Lehre. Manche folgen dieser Sehnsucht nach einer bequemen Nische", sagte dagegen Nahles in einem bemerkenswerten Interview mit dem "Spiegel" im Dezember.

Sie besitzt jenen politischen Instinkt und die inhaltliche Geschmeidigkeit, der Schulz fehlt. Die Tür zu CDU und CSU hat sie niemals zugeschlagen, auch wenn sie nach ihrer Ernennung zur SPD-Fraktionschefin im September schallend lachend in die Kameras röhrte: "Ab jetzt gibt’s eins in die Fresse!"

Zu Angela Merkel pflegt die 47-Jährige ein außerordentlich gutes Verhältnis. Die Kanzlerin lernte Nahles als fleißige und detailverliebte Arbeitsministerin (2013 bis 2017) in ihrem Kabinett schätzen. Die Aussicht auf weitere Jahre mit Merkel als Koalitionspartnerin schreckt Nahles nicht. Vielmehr stellt sie die Kanzlerin darauf ein, dass es kein Weiter-so geben werde. Auf Rededuelle im Bundestag freut sich die impulsive Pfälzerin merkbar.