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Fünf Frauen für Abe

Von WZ-Korrespondentin Sonja Blaschke

Politik

Japans Premier will mit Kabinettsumbildung seine Reformagenda vorantreiben - auch mit Ministerinnen.


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Tokio. Umringt von fünf Frauen in formellen Abendroben und edlen Kimonos - so sah man einen japanischen Premierminister bei der Vorstellung seines Kabinetts äußerst selten. Bisher gab es das erst einmal in der japanischen Geschichte, nämlich 2001/2002, unter dem ehemaligen Premierminister Junichiro Koizumi. Dessen politischer Zögling, der amtierende Shinzo Abe, tat es ihm nun gleich. Als er am Mittwoch sein neues Kabinett präsentierte, waren unter den 18 Ministern statt bisher zwei nun fünf Frauen. Und mit Yuko Obuchi wurde erstmals in der japanischen Politik eine Wirtschaftsministerin ernannt. Der symbolträchtige Schritt ist Teil einer Reformagenda, mit der Abe Japanerinnen nicht zuletzt zu stärkerer Beteiligung am Arbeitsleben ermutigen will. Auch wegen der relativ niedrigen Erwerbsquote von Frauen bleibt das Land hinter seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten zurück.

Befragt nach dem Grund für die Kabinettsauflösung sagte Abe, dass seine "Abenomics" getaufte Wirtschaftspolitik zwar gut laufe, aber noch einige Probleme zu lösen seien. Beobachter unterstellen ihm aber, mit der Neubesetzung von Posten den Wünschen ambitionierter Parteimitgliedern nachgekommen zu sein, die mit begehrten Kabinettsposten versorgt werden wollten. Zumal die schon bisher mit "Abenomics" betrauten Amtsinhaber bleiben durften, wie Finanzminister Taro Aso und der Minister für Wirtschafts- und Finanzstrategie, Akira Amari. Auch Außenminister Fumio Kishida bleibt im Amt.

Frauenpower

Während Frauen im ersten Abe-Kabinett lediglich Randposten bekommen hatten, wurden ihnen dieses Mal drei zentrale Posten zugedacht. Die größte Überraschung war die Ernennung der 40-jährigen Yuko Obuchi zur Ministerin für Wirtschaft und Handel. Die Tochter von Ex-Premier Keizo Obuchi ist damit die erste Frau, die in Japan mit diesem wichtigen Posten betraut wurde, noch dazu erst 40 Jahre alt und zweifache Mutter. Abe will demonstrieren, dass er es ernst meint mit seinen "Womenomics", der Förderung von Frauen in der japanischen Gesellschaft. Das Ziel der Regierung sind 30 Prozent Frauen in Führungspositionen - ein hehres Ziel, von dessen Erreichung die asiatische Industrienation jedoch weit entfernt ist. Obuchi muss unter anderem die Aufgabe meistern, über das umstrittene Wiederanfahren der seit einem Jahr ruhenden AKW in Japan zu entscheiden. Es ist nicht ihr erster Kabinettsposten: 2008 wurde sie mit 34 Jahren zur jüngsten Ministerin ernannt, zuständig für das Problem der sinkenden Geburtenrate. Damals wurde sie als erstes Kabinettsmitglied schwanger mit ihrem zweiten Kind - ein weiteres Novum in Japan.

Midori Matsushima tritt an die Spitze des Justizministeriums, wo sie unter anderem für die Unterzeichnung der Todesurteile verantwortlich ist. Sanae Takaichi, die bisher eine leitende Funktion in Abes Liberaldemokratischer Partei (LDP) innehatte, wurde Ministerin für Inneres und Kommunikation, Haruko Arimura Ministerin für Frauenförderung. Eriko Yamatani übernimmt ist künftig für die Fälle der nach Nordkorea verschleppten Japaner zuständig.

Trostpreise für Rivalen

Für die Aufgabe des LDP-Generalsekretärs war zunächst Yuko Obuchi im Gespräch. Schließlich wurde aber Sadakazu Tanigaki Nummer zwei hinter Premierminister Abe. Tanigaki stand selbst bereits an der Spitze der Partei, bis er von Abe verdrängt wurde. Überraschend an der Ernennung ist, dass sich Tanigakis Ansichten von denen Abes in Bezug auf Kernthemen wie Steuerreform und Diplomatie deutlich unterscheiden. Doch in einem zentralen Punkt sind sie sich einig: Der ehemalige Finanzminister, dem gute Beziehungen zu China nachgesagt werden, unterstützt das Vorhaben Abes, die Konsumsteuer im Oktober 2015 auf zehn Prozentzu erhöhen. Die Entscheidung darüber steht im Dezember an. Schon die Erhöhung von 5 auf 8 Prozent im April hatte für Unmut in der Bevölkerung gesorgt. Nicht wenige kritisieren, dass "Abenomics" vor allem den Großfirmen nütze, während die Löhne vielerorts gleich blieben oder gar sanken. Kurz vor der Kabinettsumbildung vermeldeten die japanischen Medien, dass die Löhne um zwei Prozent gestiegen seien.

Spekulationenkursierten derweil lange über die neue Rolle für den bisherigen LDP-Generalsekretär Shigeru Ishiba. Abe hatte dem 57-Jährigen, dem selbst Ambitionen auf das Amt des Regierungschefs nachgesagt werden, zunächst angetragen, als Minister die nationale Sicherheitsreform umzusetzen. Das hatte Ishiba abgelehnt, angeblich, weil er mit Abe nicht auf einer Linie liegt. Schließlich willigte Ishiba ein, das neu geschaffene Amt des Ministers für die Revitalisierung ländlicher Gegenden zu übernehmen. Eine Agenda, die Abe als eine der Prioritäten seines neuen Kabinetts bezeichnet hatte.

Nachkriegsrekord

Das scheidende Kabinett hat geschafft, was anfangs kaum jemand für möglich gehalten hätte. Es blieb 617 Tage lang unverändert im Amt - so lange wie kein anderes Kabinett seit Ende des Zweiten Weltkriegs in Japan. Mit dem Revirement wollte Abe nun signalisieren, dass er die Reformagenda rascher vorantreiben will: Seine Umfragewerte sind zwar weiter relativ hoch, sanken aber von anfangs 70 Prozent auf zuletzt rund 50 Prozent.