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Voestalpine-Chef Wolfgang Eder spricht sich für Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident aus und beklagt die Absenz der Politik.
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New York. Heimische Unternehmen und die Wiener Börse präsentierten sich dieser Tage in New York US-Investoren, der Fokus lag nach wie vor auf Osteuropa und den sich dort bietenden Chancen. Einens etwas anderen Schwerpunkt legte der Voestalpine-Chef Wolfgang Eder, der in der österreichischen Botschaft ein kritisches Bild Europas zeichnete - und von amerikanischen Geschäftsleuten darauf hingewiesen wurde, dass die Situation in den USA auch nicht gerade rosig sei. "Wir haben noch fünf Jahre, um die Industrie in Europa wieder stärker zu verankern, in etwa die Periode der kommenden EU-Kommission", sagte Eder. Und er verlangt eine klare, pro-wirtschaftliche Kommission. "Ich bin daher für Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident, denn er kennt die Wünsche und Notwendigkeiten der europäischen Industrie. Unter Barroso hat sich nichts getan", sagte Eder. Auch im nationalen Bereich ortet Eder Schwächen. "Es gibt keine Kontakte mehr zwischen Regierungsspitze und Industrie, das führt zu Fehleinschätzungen und Irrtümern."
Wertewandel "zu grün"
Für den Konzern-Chef, der 50.000 Mitarbeiter beschäftigt, geht es vor allem darum, einen Wertewandel in der Gesellschaft herbeizuführen. "Die Werte Europas haben sich in den vergangenen 30 Jahren komplett verändert. Viele denken, dass wir die Industrie nicht mehr brauchen. Aber wir brauchen eine positive Einstellung zur Industrie, nicht nur um den Wohlstand zu sichern. Europa hat kaum Rohstoffe und relativ teure Energie. Was uns wettbewerbsfähig hält, ist die gute Bildung und Ausbildung unserer Mitarbeiter. Allerdings ist in der Bildungspolitik lange nichts passiert."
Er ortet mangelnde Innovationsbereitschaft auch in der europäischen Politik - im Gegensatz zu den USA. "Wir helfen dem Bürgermeister von Cartersville im US-Bundesstaat Georgia, wo wir ein Werk errichten, beim Aufbau eines dualen Ausbildungssystems. Er beklagte den Mangel an ausgebildeten Leuten, und ihm gefiel das österreichische System. Da ist ein großer politischer Gestaltungswille zu spüren."
Made in Europe
Den wünscht sich Eder auch in Europa, denn die drohende Abwanderung von Industrien stößt nun auch auf Qualitäts-Grenzen. Die Chefs der besten Automobil-Konzerne Europas hätten klargemacht, dass die Lieferungen der Voestalpine weiterhin aus Linz und Europa kommen müssten. Standorte in Russland, Südamerika oder Asien würden nicht jene Qualität (etwa bei beschichteten Formblechen) garantieren, die Unternehmen wie BMW und VW benötigen. Und die Nachfrage in Europa würde hoch bleiben. "Wir haben in Europa sehr lange Wertschöpfungsketten, bei jedem Schritt gibt es Innovationen. Das führt am Ende zu Top-Qualität", räumt Eder ein. Doch diese Entwicklung sei eben den Lieferanten-Firmen und ihren Mitarbeitern zu verdanken, und nicht der wirtschaftspolitischen Unterstützung dafür.
So räumt Eder ein, dass die 550-Millionen-Euro-Investition in ein Eisenwerk in Texas vor allem Kosten spare. Was er an den USA aber bewundere, sei das Marketing-Geschick. "Von der ‚Tesla-Methode‘ könnten wir uns was abschneiden, in Europa sind wir da manchmal zu introvertiert." Tesla ist ein US-Elektroauto-Unternehmen, das mit viel Wind den Markt durcheinandergewirbelt hat, deren ökonomischer Erfolg aber noch ausständig ist. "Wir dagegen reden zu wenig über unsere guten Produkte." Auch da wäre für die Industrie eine "Made in Europe"-Strategie der EU-Kommission hilfreich.
Ukraine vor Kollaps
Und er hofft, dass die Gespräche zwischen Politik und Industrie wieder in Gang kommen. Themen gibt es genug, etwa den aktuellen Ukraine-Konflikt. "Das Eisenerz, das wir von dort beziehen, kommt nach wie vor pünktlich. Aber wir dürfen uns da keinen Illusionen hingeben. Die russischen Sanktionen führen dazu, dass die ukrainische Wirtschaft "vor dem Kollaps" steht. Ob er die EU verstehe, dass sie nun gegen die South-Stream-Gaspipeline ist, die von der Industrie - in Österreich von der OMV - forciert wird? "Da habe ich noch keine abschließende Meinung."
"Es ist schön, dass ein CEO bei euch zugeben kann, dass er nicht alles weiß", meinte eine anwesende US-Journalistin dazu.